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Roofman – Der Hochstapler

  • Autorenbild: Walter Gasperi
    Walter Gasperi
  • vor 5 Stunden
  • 4 Min. Lesezeit
"Der Hochstapler - Roofman": Smarte Tragikomödie über einen Serieneinbrecher, der im Grunde nur geliebt werden will.
"Der Hochstapler - Roofman": Smarte Tragikomödie über einen Serieneinbrecher, der im Grunde nur geliebt werden will.

Derek Cianfrance erzählt die unglaubliche, aber wahre Geschichte des Serieneinbrechers Jeffrey Manchester, der sich nach einem Gefängnisausbruch über Monate in einem Spielzeugladen versteckt, als unaufgeregten Mix aus Komödie und Drama mit gesellschaftskritischen Akzenten.


"Das ist eine wahre Geschichte" – und nicht "Beruhend auf einer wahren Geschichte" - kündet ein Vorspanntitel so affirmativ an, dass schon eine gewisse Ironie mitschwingt. Auch der Umstand, dass der Serieneinbrecher Jeffrey Manchester (Channing Tatum) selbst seine Geschichte rückblickend erzählt, lässt berechtigte Zweifel an der Wahrhaftigkeit aufkommen.


Vielleicht stellt sich der Ex-Soldat und Familienvater in dem Ende der 1990er Jahre und 2004 spielenden Film doch zu positiv dar. Dennoch stellt sich Derek Cianfrance ("Blue Valentine", 2010; "The Place Beyond the Pines", 2013), der mit "Roofman" seinen ersten Kinofilm seit seinem neun Jahre zurückliegenden Liebesdrama "The Light Between the Oceans" (2016) voriegt, von der ersten Szene an hinter seinen Protagonisten.


Kühn bricht Jeffrey über das Dach in eine McDonald´s-Filiale ein, bittet die drei für die Frühschicht eintreffenden Mitarbeiter:innen ihn mit einem freundlichen "Guten Morgen" zu begrüßen und führt sie dann zum Kühlraum. Bevor er sie dort einsperrt, fordert er sie aber auf, ihre Westen anzuziehen, damit sie nicht zu sehr frieren, und überlässt dem Filialleiter sogar seine eigene Jacke.


Auch das Motiv für seine Einbrüche ist ein sympathisches, hat er die Enttäuschung seiner Tochter doch nicht ertragen, als diese zu ihrem sechsten Geburtstag nur seinen eigenen alten Spielzeugbaukasten und nicht das gewünschte Fahrrad bekam. Auch Jeffrey will seinen Kindern das bieten, was andere Kinder bekommen, doch fehlt ihm dazu das Geld.


Als Soldat hat er seinem Land gedient, doch jetzt ist er ein gesellschaftlich Abgehängter. Offen gibt er zu, in seinem Leben einige falsche Entscheidungen getroffen zu haben. Denn um den Anschluss an die gesellschaftliche Mitte zu schaffen, hat er sich mittels seiner Beobachtungsgabe zum Meistereinbrecher entwickelt. 44 Filialen von Fastfood-Ketten wie McDonald´s und Burger King hat er jeweils durchs Dach, was ihm den Spitznahmen "Roofman" einbrachte, überfallen, doch beim 45. Einbruch wird er erwischt.


Zu 45 Jahren Haft wird er verurteilt, doch im Juni 2004 gelingt ihm dank seiner Intelligenz auf ungewöhnliche Weise der Ausbruch. Bis Gras über die Sache gewachsen ist und seine Flucht für die Medien kein Thema mehr ist, will er untertauchen und versteckt sich dazu in einer Toys"R"Us-Filiale. Hinter dem Abstellplatz für Fahrräder richtet er sich in einem Schlupfloch quasi ein Schlafzimmer ein, ernährt sich von Süßigkeiten und Babynahrung und streift nachts durch das Geschäft. Doch dann verliebt er sich in die Angestellte Leigh (Kirsten Dunst), verfolgt er über selbst installierte Überwachungskameras doch das Geschehen im Büro des misanthropischen, kleinwüchsigen Filialleiters (Peter Dinklage).


Sanft anarchistische Stoßkraft entwickelt "Roofman" hier, wenn Jeffrey mehrfach heimlich mit Manipulation der Dienstpläne oder Diebstahl von Spielsachen zwecks Spende für eine Kirchengemeinde gegen den fiesen Filialleiter einschreitet.


Die Liebe zu Leigh lässt ihn aber zunehmend sein Versteck verlassen und, um das Herz ihrer beiden Töchter zu gewinnen, stiehlt er auch Videospiele, um aus deren Erlös Geschenke zu kaufen. Fast zwangsläufig läuft er damit zunehmend größerer Gefahr der Entdeckung, doch Cianfrance erzählt dennoch weitgehend entspannt und unaufgeregt.


Vertrauen kann er dabei auch auf Channing Tatum, der Jeffrey mit viel Charme als liebenswerten Kriminellen spielt, der sich vor allem nach einer Familie sehnt, den seine Taten aber in die Isolation im Spielzeuggeschäft treiben. Melancholie durchzieht dabei den Film, wenn der Intelligenz, die Jeffreys Einbrüche kennzeichnet, die Unvernunft gegenübersteht, die mit den Gefühlen ins Spiel kommt.


Gleichzeitig kann man sowohl in der Überfülle an Spielsachen im Toys"R"Us-Shop, die in Kontrast zur prekären Situation Jeffreys steht, als auch in der Eroberung von Kinderherzen durch Geschenke eine konsum- und gesellschaftskritische Note sehen. Bezeichnenderweise durchziehen "Roofman" dabei auch vom Geburtstag der Tochter über den Unabhängigkeitstag, Halloween und Thanksgiving bis hin zu Weihnachten Feste und Feiern, bei denen zumindest teilweise das Schenken im Zentrum steht. Diesem Materialismus erteilt Cianfrance zumindest unterschwellig eine Absage und plädiert für wahre Gefühle, wie sie Leigh Jeffrey gegenüber entwickelt.


Aber Cianfrance treibt in dieser auf körnigem 35mm-Film gedrehten Tragikomödie auch ein smartes Spiel mit Kirsten Dunsts Rolle als Partnerin von Tobey Maguire in der ersten "Spiderman"-Trilogie (2002 - 2007), wenn er Jeffrey in seinem Versteck in "Spiderman"-Bettwäsche und neben einer Spiderman-Figur schlafen lässt. Leichthändig deutet er aber auch an, welches Potential für einen Thriller in dem Stoff liegt, wenn Kameramann Andrij M. Parekh Jeffrey oder auch dem Filialleiter in unruhiger und dynamischer Handkamera durchs Spielzeuggeschäft folgt. Bewusst spielt er diese Ebene aber nicht aus, sondern rückt Jeffreys Sehnsucht nach einer Beziehung und seine Kinderliebe ins Zentrum.


Auch damit spielt Cianfrance mit den Konventionen Hollywoods und stellt der Lust an Action und Thrill sanftes Gefühlskino gegenüber, bei dem auch im Nachspann noch mit Archivmaterial zum realen Jeffrey Manchester das Bild vom freundlichen Einbrecher bekräftigt wird. – Nur der deutsche Titel "Der Hochstapler" macht hier wenig Sinn.



Roofman – Der Hochstapler

USA 2025

Regie: Derek Cianfrance

mit: Channing Tatum, Kirsten Dunst, LaKeith Stanfield, Juno Temple, Peter Dinklage, Lily Collias, Kennedy Moyer

Länge: 126 min.



Läuft derzeit in den deutschen und österreichischen Kinos, z.B. im Cineplexx Hohenems. - Ab 8.1. 2026 in den Schweizer Kinos.


Trailer zu "Roofman - Der Hochstapler"



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