
In Albert Dupontels mit sechs Césars ausgezeichneter schwarzer Komödie macht sich ein ungleiches Trio auf die Suche nach einem vor 28 Jahren zur Adoption freigegebenen Kind, wird aber gleichzeitig von der Polizei gejagt: Ein bestens aufgelegtes Ensemble, pointierte Dialoge und wendungsreiche Handlung sorgen für rasante, Funken sprühende Unterhaltung.
An Blumen erinnern die 43-jährige Friseurin Suze (Virginie Efira) die Computerbilder ihres Körpers, die der Arzt ihr präsentiert. Bestenfalls einen Trauerflor kann der Arzt aber darin sehen, denn nur noch wenig Lebenszeit bleibt seiner Ansicht nach der Patientin: Das permanente Einatmen von Haarspray habe ihre Bronchien zerstört.
Dem etwa 50-jährigen im Gesundheitsamt arbeitenden IT-Experten JB (Albert Dupontel) wird dagegen von seinem Chef erklärt, dass er durch jüngere Absolvent*innen einer Elite-Universität ersetzt werden soll. – In beiden Fällen geht es um Zeit, wenn dem nahen Tod Suzes das Altern JBs und die damit verbundene Entlassung gegenübersteht. Aber in beiden Fällen geht es auch um die Kälte einer wissenschaftlichen Welt bzw. einer Bürokratie, die jede Empathie und menschliches Einfühlungsvermögen vermissen lassen.
Im Gegensatz dazu entdecken die Protagonist*innen ihre Gefühle. Während Suze angesichts des nahen Todes noch ihren Sohn ausfindig machen möchte, den sie einst als Teenager-Mutter auf Drängen ihrer Eltern zur Adoption freigegeben hat, will JB seinem Leben ein Ende setzen. Doch sein Selbstmordversuch, der spektakulär scheitert, führt nicht nur die gegensätzlichen Charaktere zusammen, sondern führt auch dazu, dass JB nun von der Polizei als vermeintlicher Amokläufer gejagt wird.
Suze dagegen entführt den Computerspezialisten, weil sie glaubt, mit seinem Know-how ihrem Sohn auf die Spur zu kommen. Als dritter im Bunde stößt der blinde Monsieur Blin (Nicolas Marié) dazu, auf den das Duo bei seinen Recherchen in einem Archiv stößt. Die Wege des Trios mögen sich in der Folge mehrfach trennen, doch haarsträubende Zufälle führen sie immer wieder zusammen.
Wie über Überwachungskameras und Handy-Tracking die Polizei den Flüchtenden auf der einen Seite näher rückt, so gelingt es andererseits JB mit seinen Computer-Kenntnissen Suze bei der Suche nach ihrem Sohn zu helfen.
Doch nicht nur hier geht es um die Ambivalenz des technischen Fortschritts, denn JB erscheint aufgrund seiner Computerarbeit auch als sozial verkümmert und unfähig seine Gefühle auszudrücken. Ein herrlicher Gegensatz ergibt sich aus seiner Verklemmt- und Verschlossenheit und Suzes Offenheit, die durch den körperlich beeinträchtigten, aber ausgesprochen kommunikativen und kontaktfreudigen Monsieur Blin noch gesteigert wird.
Ein Drama oder eine Tragödie könnte das aufgrund seiner Themen sein, doch Albert Dupontel, der seinen achten Spielfilm dem 2020 verstorbenen Monty Python-Mitglied Terry Jones gewidmet hat, setzt von Anfang an mit kräftigen Farben und warmem Licht auf Lebensfreude und leichte Töne. Ganz in Rot und Goldgelb leuchtet sein Film, erst als es gegen Ende auch explizit um Einsamkeit geht, wird eine Wohnung in kaltes Blau getaucht.
So vertraut die Geschichte von einem ungleichen Duo ist, das eine Aufgabe erfüllen will und gleichzeitig von der Polizei gejagt wird, so viel Frische und Esprit entwickelt "Was dein Herz dir sagt" gleichzeitig nicht nur durch das hohe Erzähltempo, sondern auch durch Dupontels Gespür für Details, originelle Figuren und Situationen.
Da setzt der blinde Archivar dann auch zu einer spektakulären Autofahrt an und JB manipuliert via Computer nicht nur die Fahrstühle, sondern auch die ganze Stromanlage eines Bürogebäudes. Auch um Political Correctness kümmert sich Dupontel nicht, wenn Blin seinen Status der Behinderung ausnützt oder auch ein an Alzheimer erkrankter Arzt ins Spiel kommt.
Gleichzeitig geht es aber auch durchgängig um Überwindung von Angst, die erst den Weg zum Lebensglück ermöglicht. Denn erst angesichts des drohenden Todes, erinnert sich Suze an ihren Sohn, erst durch den Ausbruch aus dem bürgerlichen Leben und die Verfolgung durch die Polizei befreit sich JB langsam von seinen Zwängen und auch Blin kann erst Aufleben, als er mit dem Duo aus seinem gefängnishaften Archiv flieht.
Großartig feiert Dupontel mit seiner unbeschwerten, tempo- und wendungsreichen Erzählweise dieses Plädoyer für ein befreites Leben. Pointiert werden nicht nur die Gefahren von Computerarbeit und omnipräsenter Technologie aufgezeigt, sondern genüsslich werden auch Experten wie der Arzt oder ein Psychologe, die hohle Phrasen dreschen oder aus Details absurde Schlüsse ziehen, durch den Kakao gezogen.
Getragen aber wird diese ebenso unterhaltsame wie intelligente schwarze Komödie von seinen drei Hauptdarsteller*innen, die blendend harmonieren und deren Vergnügen am Spiel in jeder Szene bis zum an "Bonnie & Clyde" oder "Thelma and Louise" erinnernden Finale spürbar ist.
Was dein Herz dir sagt – Adieu ihr Idioten! (Adieu les cons) Frankreich 2020 Regie: Albert Dupontel mit: Virginie Efira, Albert Dupontel, Nicolas Marié, Jackie Berroyer, Philippe Uchan, Bastien Ughetto Länge: 87 min.
Läuft derzeit in den österreichischen Kinos, z.B. im Cinema Dornbirn.
Trailer zu "Was dein Herz dir sagt - Adieu ihr Idioten!"
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