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  • AutorenbildWalter Gasperi

Vom Lokführer, der die Liebe suchte – The Bra


Ohne Worte erzählt Veit Helmer von einem Lokführer, der die Besitzerin eines Büstenhalters sucht. – Eine liebevoll gemachte und einfallsreiche Komödie aus einem märchenhaften Aserbeidschan, deren Charme über die in der Story steckende Altherrenfantasie zumindest teilweise hinwegsehen lässt.


Eine starke Untersicht betont die Größe der grünen Lokomotive. Jeden Morgen besteigt Lokführer Nurlan (Miki Manojlovic) diesen Respekt gebietenden stählernen Koloss. Wenn die Stromabnehmer hochgefahren werden und mit elektrischer Entladung die Oberleitung berühren, kann die Fahrt mit dem Güterzug durch die weite Graslandschaft vor den kaukasischen Bergen beginnen.


Eine Ampel, die auf Rot schaltet, signalisiert, dass sich der Zug der Vorstadt von Baku nähert. Die Häuser stehen hier so nah an den Gleisen, dass die Bewohner tagsüber ihre Wäsche darüber hängen oder auf den Gleisen Tische aufstellen, um Tee zu trinken oder Karten zu spielen. Ein Waisenjunge springt beim Signal des Zuges aus seiner Hundehütte, rennt mit einer Trillerpfeife im Mund den Schienen entlang, um die Leute zu warnen und zu vertreiben.


Dennoch bleibt das eine oder andere Kleidungsstück jeweils zurück und verfängt sich an der Lokomotive. Nach Erledigung der Arbeit und Reinigung der Lokomotive bringt Nurlan deshalb diese Dinge am Abend jeweils persönlich bei einem Spaziergang durch die Vorstadt den Besitzern zurück.


Nun steht Nurlans Pensionierung kurz bevor und er lernt schon seinen Nachfolger (Denis Lavant) ein, doch bei seiner letzten Fahrt verfängt sich noch ein Büstenhalter in der Lokomotive. Unbedingt möchte Nurlan die Besitzerin finden und wie bei "Aschenputtel" mit dem Schuh klappert er mit dem BH das Viertel ab und lässt Frauen ihn anprobieren, zieht damit aber auch den Ärger der Männer auf sich.


Wie hier die Frauen auf das Körperliche reduziert werden und wie deren Oberweiten geprüft werden, ist zweifelsohne eine Altherrenfantasie, die liebevolle Machart lässt aber zumindest teilweise darüber hinwegsehen.


Auch mit Sozialrealismus hat Veit Helmer nichts am Hut, sondern märchenhaft und sanft ist sein Blick auf die in der Realität wohl alles andere als pittoreske Vorstadt. Nicht bedrückend wirken die Lebensbedingungen, sondern durch die in warmes Licht und kräftige helle Farben getauchten Bilder entsteht der Eindruck eines sorgenfreien und heiteren Lebens. Dieses reale Viertel war auch Ausgangspunkt für den Film und Helmer hat es damit dem Vergessen entrissen, denn unmittelbar nach Abschluss der Dreharbeiten wurde es vollständig abgerissen.


Warmherzig ist der Blick des deutschen Regisseurs nicht nur auf dieses Milieu und die Bewohner, sondern vor allem auch auf seinen Lokomotivführer und dessen Lehrling. Mit einem Stoizismus, der an Buster Keaton erinnert, werden diese von Miki Manojlovic und Denis Lavant verkörpert. Wunderbar sanft spielt der Serbe, der durch Filme von Emir Kusturica bekannt ist, diesen Nurlan, aber sein Blick strahlt auch viel Melancholie aus, und seine Einsamkeit wird auch spürbar, wenn er jeden Abend in ein Bergdorf zurückkehrt, in dem er allein in einem einfachen Steinhaus lebt.


Auch die Wiederholung von Details wie dem Waschen der Lokomotive oder der immer wieder durch die Landschaft donnernde Güterzug sowie der Einsatz von Musik und Geräuschen tragen wesentlich zum Charme dieser Komödie bei.


Der Zeit enthoben wirkt "Vom Lokführer" dabei nicht nur durch den Verzicht auf Dialoge und die Abwesenheit von moderner Technik wie Smartphones und Computern, sondern auch durch die Bildgestaltung. Gedreht wurde zwar digital, doch durch Nachbereitung erhielt das Bild bewusst Kratzer und andere Filmfehler, sodass der Eindruck eines alten, analogen Filmmaterials entsteht.


Die Geschichte mag sich relativ rasch tot laufen, doch eben nicht davon, sondern von der Fülle der Details, deren sorgfältigem Zusammenspiel und dem spürbaren Herzblut, das Helmer und seine Crew in diesen Film legten, machen diese Komödie zu einer kleinen Perle, an die man sich gerne mit einem Schmunzeln erinnert.


Läuft ab heute (16.7.) in den Schweizer Kinos - z.B. Kinok in St. Gallen, demnächst im Skino in Schaan.


Trailer zu "Vom Lokführer, der die Liebe suchte - The Bra"



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