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  • AutorenbildWalter Gasperi

Vier Wände für Zwei - El inconveniente


Eine kühle Managerin kauft die Wohnung einer herzkranken Seniorin, die bis zu ihrem Tod das Wohnrecht behält: Bernabé Ricos Spielfilmdebüt beginnt zwar als vorhersehbare Komödie, entwickelt aber zunehmend berührende Momente und erfreut mit überraschenden Twists sowie zwei blendend harmonierenden Hauptdarstellerinnen.


Man sieht Bernabé Ricos Spielfilmdebüt nicht an, dass es auf Juan Carlos Rubios erfolgreichem Theaterstück "100m²" beruht. Die Stadtwohnung der 74-jährigen Lola ist zwar zentraler Schauplatz, gleichwohl führt die Handlung immer wieder aus ihr hinaus.


Unvermittelt setzt "Vier Wände für Zwei" mit der Besichtigung dieser 100m² großen Wohnung ein. Während der Immobilienmakler (Carlos Areces) ununterbrochen redet, bleibt die 39-jährige Kundin Sara (Juana Acosta) kühl und ruhig, beschränkt sich darauf alles genau anzuschauen. Ein Schnäppchen ist diese Wohnung zweifellos, bietet von der Terrasse auch einen großartigen Blick über Sevilla.


In Kauf nehmen muss man dafür freilich als dem spanischen Titel "El inconveniente" entsprechende kleine Unannehmlichkeit die bisherige Eigentümerin, die nach Verkauf das Wohnrecht behält. Offen redet der Makler aber darüber, dass diese wohl bald das Zeitliche segnen wird, raucht diese 74-jährige Lola (Kiti Mánver) doch wie ein Schlot, trinkt Alkohol und hat auch schon zwei Bypässe.


Lola freilich ist nicht, wie der Makler glaubt, gerade am Spazieren, sondern sitzt im Wandschrank und hört den despektierlichen Kommentar mit. Wie sie nach Abgang von Makler und Kundin ihr Versteck verlässt, ist die erste Überraschung und bald werden weitere unvorhersehbare Dinge geschehen.


Vorhersehbar ist freilich, dass sich die wortkarge, meist einen roten Mantel tragende Maklerin und die lebensfrohe Rentnerin im Lauf des Films näher kommen werden. Denn hofft Sara zunächst, dass Lola nur noch zwei Jahre leben wird, so wird das bald ganz anders aussehen.


Ein Vergnügen ist es zuzusehen, wie sich die Kolumbianerin Juana Acosta als Sara und Kiti Mánver als Lola die Bälle zuspielen. Vor allem Mánver genießt es sichtlich diese Rentnerin zunächst als unwürdige Greisin zu spielen, die hinter der lebensfrohen und freigeistigen Fassade aber bald auch Einsamkeit sichtbar macht. Gleichzeitig weckt sie aber mit ihrem Elan auch das Interesse Saras und lässt sie auch über ihr eigenes Leben reflektieren.


Weil Bernabé Rico geschickt mit dem Unvorhergesehenen spielt, sollte aber nicht zu viel über die Handlung verraten werden. Leichtigkeit und Witz bewahrt dieses Feelgood-Movie zwar bis zum Schluss, doch zunehmend gewinnen auch berührende Momente an Gewicht und existentielle Lebensfragen werden angesprochen. Da geht es dann nicht nur um die alte Lola, sondern eben auch um Sara, denn Unvorhergesehenes kann in jedem Alter Lebenspläne auf den Kopf stellen. Vor allem sie lernt sich im Leben neu zu orientieren, merkt langsam, dass nicht der Job im Zentrum stehen soll, wird lockerer und lernt zu genießen.


Neben den großartigen Hauptdarstellerinnen und dem zwar sehr konstruierten, aber doch auch raffinierten Aufbau der Handlung erfreut "Vier Wände für Zwei" aber auch mit Details wie der sich durch den Film ziehenden Wiederkehr des Maklers in unterschiedlichsten Berufen.


Ein großer Film ist das sicher nicht, aber einer, der sein Potential ausschöpft und mit seinen Twists auch erschüttern kann und nachdrücklich die Ausgesetztheit und Zerbrechlichkeit dieses Lebens bewusst machen kann. Und wenn am Ende eine Wand in der Wohnung eingerissen wird, dann ist das natürlich auch eine Metapher für die Entwicklung der beiden Frauen, die das Trennende eingerissen und zueinander gefunden haben – und gleichzeitig eine Aufforderung ans Publikum zwischenmenschliche Wände und Barrieren einzureißen.



Vier Wände für Zwei – El inconveniente Spanien 2020 Regie: Bernabé Rico mit: Juana Acosta, Kiti Manver, Carlos Areces, Daniel Muriel, Gemma Giménez, Juanfra Juárez, Vicky Luna Länge: 94 min.


Läuft derzeit in den österreichischen Kinos, z.B. im Cinema Dornbirn und den deutschen und Schweizer Kinos, z.B. Kinok St. Gallen TaSKino Feldkirch im Kino Rio: Di 26.7. + Do 28.7., 20.30 Uhr; Fr 29.7., 21 Uhr (span. O.m.U.)


Trailer zu "Vier Wände für Zwei - El Inconveniente"



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