Faszinierende Orte sind Hotels, können hier doch zufällig unterschiedlichste Menschen aufeinandertreffen. Nicht nur Dramen und Komik können sich hier entwickeln, sondern beträchtliche Verunsicherung und Ängste können die fremden Räume auch auslösen. Das Stadtkino Basel widmet dem Hotelfilm im April eine Reihe und spannt den Bogen von Ernst Lubitschs "Ninotchka" bis zu Wes Andersons "The Grand Budapest Hotel".
1774 eröffnete in London der erste Beherbergungsbetrieb mit dem Namen "Hotel". Wirklich aufzublühen begann diese Institution aber erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, besonders dann in der Belle Époque. Das Grand Hotel und das mondäne Kurhotel entstanden in dieser Zeit, ehe sich nach dem Zweiten Weltkrieg ausgehend von den USA Hotelketten breit machten.
Im Film finden sich alle Spielarten des Hotels, das Grand Hotel in der gleichnamigen Verfilmung von Vicky Baums Roman im Jahre 1932 ebenso wie in Wes Andersons "The Grand Budapest Hotel" (2014), das Kurhotel in Luchino Viscontis Adaption von Thomas Manns "Tod in Venedig" (1971) oder auch in Paolo Sorrentinos "Youth" (2015), die heruntergekommene Absteige in den Filmen von Wim Wenders und Jim Jarmusch bis zum modernen, zu einer Kette gehörigen Hotel in den Filmen Sofia Coppolas. Diese hatte als Tochter des Filmregisseurs Francis Ford Coppola selbst viel Zeit in Hotels verbracht. Immer wieder präsentiert sich das Hotel dabei als Ort des Durchgangs, der Zufallsbekanntschaft, der Verlorenheit.
Hier ist etwas für kurze Zeit möglich, kommen sich Menschen näher, die sich sonst wohl nie begegnet wären. Gleichzeitig ist das aber ein Ort, an dem man nicht zu Hause, nicht verwurzelt ist, von einer Melancholie und dem Gefühl der Einsamkeit ergriffen wird. So hängen Bill Murray und Scarlett Johansson in Sofia Coppolas "Lost in Translation" (2003) tausende Kilometer von der Heimat entfernt in Tokio spät nachts noch an der Hotelbar rum, die Zeitverschiebung lässt sie zudem keinen Schlaf finden. Befreit von dem sozialen Umfeld bleibt nur die eigene Person und eine Seelenverwandtschaft tritt zu Tage oder bildet man sich aufgrund der völligen Fremdheit der Umwelt ein.
In einem Hotel lebt auch der Schauspieler Johnny Marco in Coppolas "Somewhere" (2010). In der öffentlichen Behausung spiegelt sich dabei Johnnys Fremdheit im eigenen Leben und seine Entwurzelung. Da muss erst seine Tochter kommen, um ihn aus dieser Isolation und Orientierungslosigkeit zu befreien.
Das Hotel kann aber auch ein Ort des Luxus sein, dem selbst eine hartgesottene Kommunistin (Greta Garbo) in Ernst Lubitschs "Ninotchka" (1939) erliegt. Hier kann man abseits vom Alltag und bestens umsorgt seinen Gedanken nachhängen und über sein Leben reflektieren wie Harvey Keitel und Michael Caine in "Youth" oder man erlebt es in Wes Andersons "The Grand Budapest Hotel" als bonbonfarbene Fantasiewelt, in der man gerne länger verweilen möchte.
Gegensätze können hier aufeinanderprallen wie der prüde Amerikaner (Jack Lemmon) und eine lebenslustige Engländerin in Billy Wilders in einem Hotel auf Ischia spielenden "Avanti, Avanti" (1972). Fern vom Alltagsleben und unterstützt vom südländischen Ambiente kann dabei auch der steife Amerikaner auftauen, Lockerheit und Lebensfreude entwickeln.
Eine Krise des realen New Yorker Waldorf Astoria Hotels verarbeitet Mitchell Leisen in seiner Screwball Komödie "Easy Living" (1937), in der ein kurz vor der Pleite stehendes Hotel durch Berichte über eine Affäre eines Millionärs berühmt und zum Renner wird.
Meist geht es so im Hotelfilm um die Gäste der vornehmen Unterkunft, doch auch das Personal kann im Mittelpunkt stehen. Während F. W. Murnau in "Der letzte Mann" (1924) von der sozialen Degradierung eines Portiers zum Toilettenwärter erzählt, sorgen im stummen Kurzfilm "Double Whoopie" (1929) Stan Laurel und Oliver Hardy, die eine Stelle als Hotelpagen antreten sollen, aber für Edelmänner gehalten werden, für hinreißenden Slapstick.
Mit seiner Fremdheit kann ein Hotel aber auch Verunsicherung auslösen. So schlittert die junge Rezeptionistin in Jessica Hausners "Hotel" (2004), in dem sich in den kühl stilisierten Bildern langsam ein Gefühl der nie genau fassbaren Bedrohung aufbaut, zunehmend in eine Krise. Alain Resnais erzeugt dagegen in "L´année dèrniere à Marienbad" (1961) durch weite, kahle Räume, glasklare Schwarzweißbilder, Voice-over, hallende Schritte und das Oszillieren zwischen Realität, Erinnerung und Imagination ein Gefühl der Irritation und Verunsicherung.
Und in Kubricks Stephen King-Verfilmung "Shining" (1980) verwandelt sich ein Feriendomizil in einen Ort des Schreckens, wenn sich in der Abgeschiedenheit des labyrinthartigen Overlook-Hotels zunehmend der Wahnsinn ausbreitet, ohne dass sich dafür äußere Anlässe erkennen ließen.
Leicht kann ein Hotelbesitzer aber auch seine Gäste permanent überwachen. Blickt Anthony Perkins als Norman Bates in Hitchcocks "Psycho" (1960) noch durch ein Gucklock voyeuristisch in das Zimmer von Janet Leigh, so kontrolliert und manipuliert der Super-Verbrecher Dr. Mabuse in Fritz Langs "Die 1000 Augen des Dr. Mabuse" (1960) seine Hotelgäste durch geheime "Fernsehaugen". Zum Zweck der Überwachung anderer Gäste haben sich aber auch die Protagonist*innen in Jean-Luc Godards "Détective" (1987) in ein Pariser Hotel einquartiert.
Nur noch die Erinnerung lebt dagegen im stillgelegten Hotel, in das der Graubündner Hotelier-Sohn Daniel Schmid seinen Protagonisten in "Hors Saison" (1992) zurückkehren lässt. Wie das Kino ein Ort ist, auf dem auf der Leinwand Fantasien lebendig werden, so löst hier das Gebäude märchenhafte Erinnerungen aus: an die Familie, die Gäste und an Geschichten, die sich hier abspielten.
Kein Ort des Durchgangs und der Entwurzelung, sondern einer der verlorenen Heimat ist das Hotel bei Schmid und statt eines Blicks aufs Schäbige und aufs Mondäne, statt Komödiantisches oder Gruseliges findet sich hier das märchenhaft Poetische und das melancholische Beschwören einer vergangenen Zeit.
Weitere Informationen und Spieldaten finden Sie hier.
Trailer zu "The Grand Budapest Hotel"
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