Statt Action bietet "Mad Max"-Regisseur George Miller mit seinem Film über eine Geschichtenforscherin, der ein Flaschengeist drei Wünsche gewährt, Fantasy à la "1001 Nacht" und Reflexion über die Liebe: Bildmächtiges und fantasievolles Kino, aber der Funke will nicht überspringen.
Gezielt als "Anti Mad Max" hat George Miller seine Verfilmung von A. S. Byatts 1994 erschienener Kurzgeschichte "The Djinn in the Nightingale´s Eye" ("Der verliebte Djinn") angelegt. Statt furioser Action wie in "Mad Max: Fury Road" dominieren Dialoge, statt Außenszenen eine Kammerspielsituation.
Spannend ist die Ausgangssituation mit der britischen Narratologin Alithea (Tilda Swinton), die zu einem Kongress über Mythen und Welterklärung durch Geschichten statt durch Wissenschaft nach Istanbul reist, dort aber schon am Flughafen einen seltsamen Geist sieht. Als dieser beim Kongress wieder auftaucht, fällt sie in Ohnmacht und wenig später wird sie in ihrem Hotelzimmer aus einer frisch gekauften Flasche einen solchen Djinn (Idris Elba) befreien: 3000 Jahre war dieser eingesperrt.
Moderne rationale Welt trifft damit auf Irrationalität, wissenschaftliche Welterklärung auf alte Fabulierfreude. Weiter entwickelt werden diese Gegensätze aber kaum, denn der Fokus liegt nun ganz auf der Interaktion zwischen der Wissenschaftlerin und dem Djinn.
Als Dank für die Befreiung aus der Flasche gewährt dieser drei Wünsche, doch Alithea weiß natürlich aufgrund ihrer Kenntnis von Mythen und Märchen, dass solche Wünsche meist böse enden. Als wunschlos glücklich bezeichnet sie sich so und bittet den Djinn von seinen Erlebnissen zu erzählen.
Spannender Gegensatz ergibt sich zunächst noch, wenn auch Alithea über eine Kindheitserfahrung und ihre gescheiterte Ehe erzählt. Heutige Alltagserfahrungen stehen so märchenhaften Erzählungen des Djinn gegenüber, doch dieser Gegensatz bleibt einfach stehen, statt Reibungen daraus zu generieren.
Ins Zentrum rücken nämlich drei Erzählungen des Djinn, die sich von Salomon und der Königin von Saba über das Osmanische Reich zur Zeit Suleimans des Prächtigen (16. Jahrhundert) bis ins 18. Jahrhundert spannen.
Bildmächtig sind diese in kräftige warme Farben und opulent ausgestatteten Szenen zwar, doch entwickeln sie keine erzählerische Kraft. Durchgängig bleibt nämlich der Djinn der Erzähler. Anders als in klassischen Fantasyfilmen wie "Der Dieb von Bagdad" taucht man so nie wirklich in diese Märchenwelt ein und nicht mit visueller Gestaltung, sondern rein verbal werden die Geschichten vermittelt. Abträglich einem Spannungsaufbau ist auch, dass die Ereignisse mehr kursorisch zusammengefasst als breit ausformuliert werden. Bloßes Augenfutter und Bebilderung der Erzählung bleibt dabei die visuelle Ebene.
Kontrapunkt zu den fantastischen Erzählungen des Djinn bildet das nüchterne Hotelzimmer, in dem Alithea langsam Interesse am Djinn entwickelt. So verderblich das Begehren, der Wunsch nach Liebe und Wissen letztlich in den Erzählungen des Djinn war, so romantisch ist schließlich ihr Wunsch nach Liebe, der freilich dem Gegenüber immer auch völlige Freiheit zugesteht.
Vom Fantasyfilm wandelt sich "Three Thousand Years of Longing" damit zur Reflexion über die Liebe, doch Intensität und Leidenschaft will dabei kaum aufkommen. Zu kühl agieren und zu farblos bleiben Tilda Swinton und Idris Elba, um wirklich mitzureißen und zu bewegen.
Und schließlich ist dies entsprechend der Narratologin als Protagonistin auch ein Film über das Geschichtenerzählen an sich. Schon mit dem einleitenden Voice-over Alitheas, in dem sie einerseits die Wahrheit der Geschichte bekräftigt, sie andererseits mit "Es war einmal…" in ein Märchen verpackt, wird das Erzählen thematisiert.
Fortgesetzt wird diese Ebene mit den Binnenerzählungen des Djinn und schließlich verarbeitet Alithea ihre Erfahrungen in einem Buch, das wiederum die Geschichte des zu Ende gehenden Films enthält. – Genügend interessante Ansätze gäbe es so, doch wenig macht Miller daraus und verzettelt sich im Mix zwischen dank Computeranimation zwar bildmächtiger, aber blutleerer Fantasy-Erzählung und kraftloser Liebesgeschichte.
Three Thousand Years of Longing Australien 2022 Regie: George Miller mit: Tilda Swinton, Idris Elba Länge: 108 min.
Läuft derzeit in den Kinos, z.B. im Cineplexx Hohenems und im Skino Schaan.
Trailer zu "Three Thousand Years of Longing"
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