Le procès du chien - Hundschuldig
- Walter Gasperi
- vor 1 Tag
- 3 Min. Lesezeit

Eine erfolglose junge Anwältin übernimmt die Verteidigung eines Hundes, der eingeschläfert werden soll, nachdem er drei Frauen gebissen hat: Lætitia Dosch macht aus der absurden Ausgangssituation eine vor Einfallsreichtum sprühende, aber auch unentschieden zwischen Klamauk und Drama pendelnde Satire nicht nur über Tierrecht, sondern auch über aktuelle gesellschaftliche Verhältnisse.
Die 45-jährige Lætitia Dosch kann schon auf eine rund 15-jährige Karriere als Schauspielerin und auf über 40 Filmrollen zurückblicken. Mit "Le procés du chien – Hundschuldig" legt die Französin nun ihre erste Regiearbeit vor und präsentiert sich dabei selbstbewusst und bestimmt. Sie lässt nämlich die von ihr selbst gespielte Protagonistin nicht nur als Off-Erzählerin in den Film einführen, sondern diese auch quasi als Herrin über die filmische Erzählung befehlen, dass zunächst die Musik, dann die Bilder einsetzen sollen.
Doschs Avril Lucciani ist zwar eine leidenschaftliche, aber erfolglose Anwältin, die von ihrem Chef noch eine letzte Chance bekommt. Wie dieser sie im ersten Gespräch mit seinen obszönen Ausführungen über die Vorzüge italienischer Frauen beim Sex irritiert, weist schon auf das zentrale Thema des Films hin. Denn auch wenn im Zentrum ein Prozess um einen Hund steht, der eingeschläfert werden soll, weil er drei Frau gebissen hat, geht es doch auch immer wieder um Grenzüberschreitungen, Selbstbestimmung und Rechte des Individuums.
Dieses Thema bringt Dosch auch mit Avrils Nachbarsjungen ins Spiel, der aus Angst vor dem gewalttätigen Vater immer wieder bei der Anwältin Zuflucht sucht. Diese droht aber wieder ihrerseits Probleme zu bekommen, als sie den Zwölfjährigen bei sich übernachten lässt.
Im Mittelpunkt steht aber der Fall des Hunds Cosmos, den Avril vor dem Tod retten will. So absurd die Geschichte klingt, so beruht sie doch auf dem realen Fall eines Hundebesitzers, der verklagt wurde, weil sein Hund eine Frau gebissen hatte. Dosch verlegt nicht nur die Handlung von Frankreich ins schweizerische Lausanne, sondern spinnt die Ausgangssituation auch konsequent weiter.
Verhält sich Avril zunächst ablehnend, als ihr der sehbehinderte und arbeitslose Besitzer von Cosmos den Fall vorträgt, so schwenkt sie doch um, als die Promenadenmischung auf ihrem Bürotisch liegt und ihr tief in die Augen blickt. Neben Dosch spielt Cosmos die unbestrittene Hauptrolle und so stiehlt auch der neunjährige Mischling Kodi, der in Cannes mit dem Palm Dog Award ausgezeichnet wurde, den menschlichen Darsteller:innen die Show.
Geht es zunächst ums Tierrecht, wenn Avril vor Gericht beweist, dass ein Hund keine Sache, sondern ein Individuum ist, so kommen mit der Übertragung des Verfahrens an die nächsthöhere Instanz weitere Fragen ins Spiel. So diskutiert eine aus Philosophen und Vertretern unterschiedlicher Religionen gebildete Ethikkommission die Frage, ob ein Hund eine Seele hat, während mittels eines Tests die rationale Handlungsfähigkeit von Cosmos geprüft werden soll. Aber auch ein Verhaltensforscher wird befragt, der das Beissverhalten des Angeklagten untersucht und angesichts der Angriffe auf Frauen wird auch Misogynie und die Unterdrückung der Frau im Allgemeinen thematisiert.
Dazu kommt aber auch die Anwältin der Klägerin, die eine politische Karriere anstrebt und ähnlich wie zuletzt die Staatsanwältin in Clint Eastwoods großartigem "Juror Nr. 2" das Interesse an dem Fall ausnützen will, um mit einer Verurteilung des Hundes Stimmen für die anstehende Wahl zur Bürgermeister:in zu gewinnen.
Die mediale Aufmerksamkeit, die der Prozess erregt, führt aber auch zu heftigen Auseinandersetzungen in den sozialen Medien. Hart prallen hier Verteidiger:innen des Hundes sowie Gegner:innen aufeinander, attackieren sich gegenseitig mit Posts und verunglimpfen auch Avril als Anwältin des Hundes.
An Originalität mangelt es "Le procès du chien - Hundschuldig" sicher nicht, aber in der Fülle der angeschnittenen Themen ist dieser Film auch maßlos überladen. So herrlich absurd und verstiegen viele Ideen auch sind, wirklich laut lachen kann man kaum einmal. Vieles wird angetippt, aber nichts vertieft und zu sprunghaft wechselt Dosch zwischen ernsthafter Auseinandersetzung mit der Thematik und Klamauk, zwischen Gerichtsfilm und Kommentar zu heutigen gesellschaftlichen Realitäten.
Keine durchgängige Linie findet dieses Regiedebüt so und fügt sich zu keinem geschlossenen Ganzen, sondern wirkt vielmehr wie eine an Einfallsreichtum übersprühende Nummernrevue. So regt diese Satire zwar zum Nachdenken an, lässt die Zuschauer:innen mit seinen ständigen Ton- und Rhythmuswechseln aber nie wirklich in die Handlung eintauchen, sodass auch die kompakten 83 Minuten trotz der inhaltlichen Dichte, rasanter Dialoge und engagierter Schauspieler:innen eine teils mühsame und auch ermüdende Angelegenheit werden.
Le procès du chien – Hundschuldig Schweiz / Frankreich 2024 Regie: Lætitia Dosch mit: Lætitia Dosch, François Damiens, Jean-Pascal Zadi, Anne Dorval, Pierre Deladonchamps Länge: 83 min.
Läuft jetzt in den österreichischen Kinos, z.B. im Cinema Dornbirn. TaSKino Feldkirch im Kino GUK: So 11.5. bis Do 15.5.
Trailer zu "Le procès du chien - Hundschuldig"
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