Der Titel ist Programm: Molly Gordon, Nick Lieberman und Ben Platt erzählen von den Proben eines Stückes in einem sommerlichen Theatercamp für Kinder. – Ein lustvoll aufspielendes Ensemble, hohes Tempo und eine quasidokumentarische Inszenierung verleihen dem beim Sundance Filmfestival mit dem Dramatic Special Jury Award ausgezeichneten Mockumentary, das leidenschaftlich die Kraft des Theaters feiert, große Frische und den Anschein von Authentizität.
Ein klassisches Back-Stage-Musical haben Molly Gordon (Regie, Drehbuch, Hauptdarstellerin), Ben Platt (Drehbuch, Produzent, Hauptdarsteller) und Nick Lieberman (Regie, Drehbuch) im Kern gedreht, wenn sie von den Proben für ein Musical erzählen. Einen eigenen Dreh bekommt "Theater Camp", für den die Filmemacher:innen einen 2020 entstandenen improvisierten Kurzfilm ausbauten, aber einerseits dadurch, dass es um ein Theater-Ferienlager für Kinder geht, andererseits durch die quasidokumentarische Inszenierung.
Statt mit genau kadrierten und sorgfältig ausgeleuchteten Einstellungen perfektes Kino zu bieten, soll nämlich durch schnelle Kamerabewegungen und Schnitte, sowie durch rasante Zooms auf die Protagonist:innen der Eindruck von Unmittelbarkeit und Echtheit erzeugt werden. Gesteigert wird dieses Gefühl noch durch die wiederholten Inserts zur Geschichte dieses Camps sowie durch ein unverbrauchtes, natürlich und mit Leidenschaft spielendes Ensemble.
Hohes Tempo erzeugen Gordon, Platt und Lieberman dabei von Anfang an, wenn sie die Wichtigkeit und positiven Effekte von Theaterauftritten für Kinder betonen und mit fingiertem 16-mm Found-Footage-Material, das wiederum den dokumentarischen Eindruck verstärkt, in das von Joan Rubinsky (Amy Sedaris) im Bundesstaat New York gegründete Ferienlager einführen. Gefährdet scheint aber dessen Zukunft, als diese leidenschaftliche Frau nach einem Schlaganfall in ein Koma fällt und ihr am Theater wenig interessierter Sohn Troy (Jimmy Tatro), ein erfolgloser Influencer, die Leitung der finanziell angeschlagenen Institution übernimmt.
Im Stil eines Countdowns markieren Inserts nun den Fortschritt der in diesem Sommer geplanten Theaterproduktion. Neben Troy stehen dabei der Schauspiellehrer Amos (Ben Platt) und die Gesangslehrerin Rebecca-Diane (Molly Gordon) im Zentrum, die wie jedes Jahr auch für heuer ein neues Stück geschrieben haben. Unter dem Titel "Joan, still" soll eine Hommage an die im Krankenhaus liegende Joan aufgeführt werden.
Der Bogen spannt sich nun von Vorspielen und Vorsingen der Kids über die Veröffentlichung der Besetzungsliste und Proben bis zur – selbstverständlich triumphalen - Premiere. Profil gewinnt dabei neben Amos und Rebecca-Diane auch der schwule Kostümbildner, während die Kinder zwar in kurzen Auftritten brillieren, aber nicht zu plastischen Figuren entwickelt werden.
Parallel zum Fortschritt des Theaterprojekts versucht eine aalglatte Finanzmanagerin Troy zum Verkauf des Camps zu bewegen, droht doch die Pfändung durch die Bank. Als Gegenpol wird dabei diesem Camp, in dem Improvisation, Offenheit und auch recht chaotische Zustände viel Platz haben, ein nahe gelegenes exklusives Theaterlager aufgebaut, das nur den Kindern der Oberschicht zugänglich ist und dessen Teilnehmer: innen bei einer Party in adretter Schuluniform aufmarschieren.
Vom Inhalt her bringt dieser Spielfilm, der in Handlung und Figuren durch und durch amerikanisch ist, nicht viel Neues, doch ansteckend wirkt er durch die spürbare Begeisterung fürs Theater und die mitreißende Spielfreude des Ensembles. In seiner ungekünstelten und scheinbar improvisierten Form feiert "Theater Camp" Improvisation und das Theaterspiel auch als Möglichkeit durch Rollenwechsel sich selbst zu entdecken sowie das Lager als Schmelztiegel, in dem unterschiedlichste Kids aufeinandertreffen und eine Art Heimat und Familie finden.
So wird flottes und in vielen Details immer wieder witziges und auch schräges Wohlfühlkino geboten, das zwar nicht weltbewegend ist, aber anregende Unterhaltung bietet, die in einer fulminanten Musical-Premiere gipfelt, in der nicht nur die jungen Theaterfans, sondern auch ein davor nur im Hintergrund agierender Assistent beweisen können, was in ihnen steckt.
Theater Camp USA 2023 Regie: Molly Gordon, Nick Lieberman mit: Ben Platt, Molly Gordon, Noah Galvin, Ayo Edebiri, Nathan Lee Graham, Owen Thiele, Amy Sedaris, Patti Harrison Länge: 92 min.
Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kino Scala in St. Gallen.
Trailer zu "Theater Camp"
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