Ein junger Mann, der sein antriebsloses Leben mit dem frühen Verlust seines Vaters erklärt, muss lernen auf eigenen Beinen zu stehen. – Mit starker Besetzung und schnellen Dialogen gelingt Judd Apatow ein sicher zwischen Drama und Komödie balancierender Film über eine langsame Selbstfindung.
Spätestens am Ende wird der autobiographische Charakter von "The King of Staten Island" sichtbar, wenn mit einem Insert der Film Scott Davidson, dem Vater des Hauptdarstellers Pete Davidson, gewidmet wird.
Wie Pete hat auch seine Figur Scott Carlin als Siebenjähriger den Vater bei einem Feuerwehreinsatz verloren. Aus den Aufräumarbeiten nach dem Anschlag vom 11. September 2001 wurde im Film aber ein Hotelbrand. Und wie Davidsons reale Mutter arbeitet auch die des Protagonisten als Krankenschwester, beide verbindet aber auch, dass sie jeweils eine jüngere Schwester haben.
Der Comedian Davidson spielt mit Scott Carlin somit teilweise sich selbst. Mit 24 wohnt er immer noch bei seiner Mutter (Marisa Tomei), die High-School hat er nie abgeschlossen. Während seine Schwester Hotel Mama Richtung College verlässt, hängt er mit seinen Kumpels im Keller herum und kifft, schläft immer mal wieder mit seiner Schulfreundin Kelsey (Bel Powley), steht aber öffentlich nicht zu ihr und versucht sich an sich selbst und seinen Freunden als Tätowierer.
Er träumt zwar von einem eigenen Tattoo-Studio mit Restaurant, doch einerseits lassen seine künstlerischen Fähigkeiten noch zu wünschen übrig, andererseits lässt er auch jede Energie vermissen, um diesen Traum in die Tat umzusetzen.
Alles andere als ein König ist dieser junge Mann, der immer wieder diverse Krankheit, vor allem aber den frühen Verlust des Vaters für seine Passivität und sein immer wieder peinliches Verhalten vorschiebt. Er nervt aber nicht nur die Mutter, sondern ruft auch den Feuerwehrmann Ray (Bill Burr) auf den Plan, als er dessen zehnjährigen Sohn tätowiert. Als sich zwischen seiner Mutter und Ray überraschend eine Beziehung entwickelt, versucht Scott diese zu hintertreiben, bis Mama ihn vor die Tür setzt und er lernen muss, auf eigenen Beinen zu stehen.
Nicht Plot-driven, sondern Character-driven ist "The King of Staten Island". Statt auf stringenten Handlungsaufbau setzt Judd Apatow auf einzelne Szenen, in denen er seinem Ensemble viel Raum lässt, um die Gefühle und Konflikte in rasanten Dialogen auszuagieren. Sicher hält der 52-Jährige dabei die Balance zwischen Komödie und Drama. Die großen Lacher stellen sich kaum ein, aber der genaue, ebenso mitfühlende wie ungeschminkte Blick auf die Figuren, nimmt rasch für sie und diesen Film ein.
Dazu kommt, dass die Geschichte bestens im New Yorker Stadtteil Staten Island verankert ist. Sorgfältig, aber nie aufdringlich fängt die Kamera von Robert Elswit die etwas heruntergekommenen Schauplätze des Viertels ein, dessen Müllberge laut einer Dialogzeile so hoch sind, dass man sie aus dem Weltraum sehen kann. Glamour und Luxus sind hier fern, dafür wird ein realistisches Bild der sozialen Lage und Befindlichkeit der unteren amerikanischen Mittelschicht gezeichnet.
Nah sind einem diese Figuren, da sie echt und aus dem Leben gegriffen wirken. Großes Drama baut Apatow, der auf die Derbheiten seiner früheren Komödien wie "Jungfrau (40), männlich, sucht" (2005) weitgehend verzichtet, dabei kaum einmal auf, sondern erzählt erfreulich unaufgeregt von dieser Selbstfindung. Er vertraut auf Pete Davidson, der in dieser Rolle voll aufgeht, treffend gezeichnete Nebenfiguren wie Scotts schräge Freunden oder Steve Buscemi als Feuerwehrmann, Marisa Tomei in einer großen Mutterrolle und einen großartigen Bill Burr als Ray, mit dem sich Scott, der bei der Feuerwehr schließlich ein zweites Zuhause findet und sein Vaterbild zu korrigieren lernt, erst langsam zusammenraufen muss.
Läuft derzeit in den Kinos - z.B. Cinema Dornbirn
Trailer zu "The King of Staten Island"
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