Anfang der 1960er Jahre schmuggelt ein englischer Geschäftsmann geheime Informationen eines hohen Sowjetoffiziers nach England, doch sukzessive steigt die Gefahr aufzufliegen. – Abseits von James Bond entwickelt Dominic Cooke nach wahren Begebenheiten vor dem Hintergrund des sich zuspitzenden Kalten Kriegs einen perfekt geschriebenen und gespielten, hochspannenden Spionagethriller um Verrat und Freundschaft.
Nichts mit den spektakulären Abenteuern eines James Bond hat Dominic Cookes Spionagethriller gemein. Weder jettet der Protagonist von einer attraktiven Location zur nächsten noch muss er sich in spektakulären Actionszenen aus brenzligen Situationen retten und auch einen schnittigen Sportwagen und ein Bond-Girl sucht man hier vergebens.
Dunkle Farben dominieren "The Courier", bis gegen Ende dem Film die Farben fast gänzlich ausgetrieben werden und nur noch die Gesichter aus dem schwarzen Hintergrund herausstechen. Statt Action dominieren Dialoge und kein Schuss fällt in den 110 Minuten, dank Cookes bestechender Umsetzung von Tim O´Connors dichtem Drehbuch und der geschickten Einbindung des weltpolitischen Hintergrunds entwickelt dieser Thriller dennoch große Spannung.
1960 macht die Angst, dass Nikita Chruschtschow einen Atomkrieg auslösen könnte, den hohen Sowjetoffizier Oleg Penkowski (Merab Ninidze) zum Verräter. Heimlich fotografiert er Informationen über das sowjetische Atomwaffenprogramm. Zwar kann er der US-Botschaft seine Bereitschaft zur Spionage mitteilen, doch weiß er nicht, wie er seine Information in den Westen schmuggeln kann.
Als der CIA diesbezüglich den britischen MI 6 kontaktiert, stößt man bald auf den biederen Geschäftsmann und Familienvater Greville Wynne (Benedict Cumberbatch), der schon öfters in Osteuropa beruflich tätig war. Nun soll er vorgeblich geschäftlich nach Moskau reisen und die Informationen Penkowskis herausschmuggeln, selbst aber so tun, als ob er nicht wüsste, was er mit sich führt, und nur als "Courier", als Kurier, fungieren.
Lehnt Wynne zunächst ab, so gibt er nach, als die CIA-Agentin ihm die Schrecken eines drohenden Atomkriegs vor Augen führt. Läuft zunächst alles bestens, so stellen sich durch die Geheimniskrämerei und das veränderte Verhalten Wynnes bald Spannungen in Ehe und Familie ein, gleichzeitig steigt aber auch die Gefahr aufzufliegen, denn selbstverständlich haben auch die Sowjets Spione im Westen.
Unaufdringlich, aber dicht verknüpft Cooke diese private Geschichte über reale TV-Nachrichten mit der eskalierenden weltpolitischen Situation vom sowjetischen Atomtest mit der Zar-Bombe in der Arktis, über den Bau der Berliner Mauer bis zur Kubakrise. Einerseits wird damit die Historizität der im Vordergrund erzählten Geschichte verstärkt, andererseits gewinnt "The Courier" damit auch an Dringlichkeit.
Zudem entwickelt sich eine Freundschaft zwischen Wynne und Penkowski, der wie sein britisches Gegenüber Frau und Kind hat und vom Überlaufen und Ansiedlung in Montana träumt. Dieser menschlichen Ebene steht wiederum der kalte bürokratische Apparat der Geheimdienste gegenüber, die nur an den Informationen interessiert sind, aber keinen Finger krümmen würden, um ihre Informanten zu retten. Dieser Skrupellosigkeit steht das moralische Handeln von Wynne gegenüber, der schließlich für Penkowski sein Leben riskieren wird.
Gleichzeitig erzählt Cooke freilich, wie in diesen Kreisen ständig ein Doppelspiel betrieben werden muss, nicht nur beruflich den Konkurrenten etwas vorgespielt werden muss, sondern auch im Privatleben und wie diese Verstellung die Persönlichkeit, aber auch die Beziehungen zerfrisst. Dies betrifft schließlich nicht nur Wynne und Penkowski, sondern auch Wynnes Frau, die der Öffentlichkeit zum Schutz ihres Mannes eine Lüge vorspielen muss.
Den Spionagefilm erfindet Cooke mit "The Courier" nicht neu, sondern bewegt sich inszenatorisch in konventionellen Bahnen. In diesem Fall ist das aber durchaus eine Tugend, heißt dies doch hier Verzicht auf alle Effekte und Spielereien und Konzentration auf ein dicht gebautes und wendungsreiches Drehbuch. Unaufdringlich und grundsolide inszeniert Cooke, rafft immer wieder mit flüssigen Montagesequenzen Ereignisse und treibt die Handlung dynamisch voran. Unterstützt werden Drehbuch und Regie durch das Production-Design von Suzie Davies, das mit dunklen Farben, mit Kleidung, Autos und Frisuren dicht die miefige Atmosphäre der frühen 1960er Jahre evoziert.
Getragen wird "The Courier" aber von einer bis in die Nebenrollen hinein perfekten Besetzung. Großartig ist Benedict Cumberbatch, der auch als ausführender Produzent fungierte, als Greville Wynne. Die anfängliche Überraschung über das Spionage-Angebot glaubt man ihm ebenso selbstverständlich wie den zunehmenden psychischen Druck durch diese Aufgabe und die Veränderung seiner Persönlichkeit. Nicht weniger überzeugend sind aber auch die anderen Schauspieler in ihrem ebenso zurückhaltenden wie effizienten Spiel.
Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Skino in Schaan. - Ab 2.7. in den österreichischen Kinos.
Trailer zu "The Courier - Der Spion"
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