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  • AutorenbildWalter Gasperi

Suicide Tourist


Ein todkranker Mann nimmt das Angebot eines Unternehmens an, das ein schönes Sterben in einem abgelegenen Hotel verspricht. Bald beginnt der Mann aber an seiner Entscheidung zu zweifeln. – Jonas Alexander Arnbys zweiter Spielfilm ist kein Problemfilm zum Thema Euthanasie, sondern ein atmosphärisch dichter, kafkaesker Thriller.


Unvermittelt setzt "Suicide Tourist" mit einer Selfie-Aufnahme von Max ("Game of Thrones"-Star Nicolaj-Coster Waldau) ein. Er nennt Name und Datum und erklärt, dass er tot sein werde, wenn jemand diese Aufzeichnung sieht. – Vorweggenommen wird damit eine Szene, die erst gegen Ende des Films nochmals folgt und wie hier hebelt Jonas Alexander Arnby, der schon 2014 mit seinem Teenager-Horrordrama "Wenn Animals Dream" auf sich aufmerksam machte, in der Folge immer wieder die Chronologie aus.


Abrupt springt der Film von dieser Videoaufzeichnung zu einem dunklen Hotel, in dem Max einen Vertrag unterzeichnet, dann zu einer Autofahrt zu einem Flugfeld, von dem Max mit anderen mit einer Propellermaschine zu einem Hotel in die abgeschiedene norwegische Bergwelt geflogen wird. Glasfronten mit Blick auf die mächtigen Berge und Wasserfälle bestimmen diesen modernen Bau, doch Urlaubsstimmung kommt hier keine auf.


Dunkel sind die Bilder, abweisend die Natur, Kälte strahlen die nüchterne Ausstattung und die dunklen Farben aus. Verstärkt wird diese Atmosphäre noch durch die Musik von Mikkel Hess und das Sounddesign von Tormod Ringnes und Johan Pram und der Fluss, der direkt am Hotel vorbeifließt weckt Assoziationen an den mythologischen Unterweltfluss Styx.


Dazu kommt, dass Arnby ganz aus der Perspektive von Max erzählt. In jeder Szene ist er präsent, erst langsam erfährt man über immer wieder abrupt hereinbrechende Erinnerungen über sein bisheriges Leben. Offen bleibt dabei aber, was echte Erinnerungen und was – vielleicht durch seinen inoperablen Gehirntumor ausgelöste – Wahnvorstellungen und Fantastereien von Max sind.


Glücklich scheint er jedenfalls mit seiner Freundin Laerke gewesen zu sein, doch dann wurde seine unheilbare Erkrankung entdeckt, die laut Ärzten auch bald zu einer Persönlichkeitsveränderung führen wird. Selbst wollte er sich töten, solange er dazu noch in der Lage war, doch immer wieder brachte ihn der Überlebenswillen im letzten Moment davon ab. Der schwarzhumorige Anstrich dieser Szenen wirkt in dem davon abgesehen weitgehend todernsten Film allerdings deplatziert.


Als Versicherungsagent, der sich um die Auszahlung von Lebensversicherungen kümmert, stieß er schließlich bei der Witwe eines Kunden auf ein Video der Firma Aurora, die einen schönen Tod im Luxusresort anbietet. Rasch fasste er den Entschluss auch selbst so einen unkündbaren Vertrag zu unterzeichnen.


Eindringlich vermittelt Arnby in den Erinnerungen von Max, wie schwer es ist, mit Angehörigen über Krankheit und Entschluss zum Freitod zu sprechen, wie sehr der Wunsch das Leiden abzukürzen und das Verlangen zu leben miteinander kämpfen. Auch in den Begegnungen und Gesprächen mit anderen Hotelgästen wird diese Beklemmung spürbar. Bitterer Galgenhumor bricht nur durch, wenn er auf die Frage eines jungen Sterbewilligen, worüber sie sprechen sollen, antwortet: "Vielleicht nicht über die Zukunft."


Blicke auf Spiegel und die Glasfronten, in denen sich die Landschaft oder das Gesicht spiegeln, werfen Max immer wieder auf sich selbst zurück, konfrontieren ihn mit seinem Entschluss. Vogelperspektiven, aber auch die übermächtige Berglandschaft evozieren ein Gefühl der Ausgeliefertheit und Ohnmacht. Je näher aber der festgelegte Todestag kommt, desto mehr beginnt Max an seiner Entscheidung zu zweifeln und auch seine Nachforschungen im Hotel lassen Zweifel an der Seriosität der Firma wachsen.


Fragen zu Sterbehilfe und zur Schwierigkeit des Abschieds werden zwar aufgeworfen, doch "Suicide Tourist" ist kein Problemfilm, sondern ein komplex verschachtelter und kühler, aber atmosphärisch dichter und packender Thriller, der den Zuschauer mit dem Protagonisten in eine kafkaeske, auch an Kubricks "Shining" erinnernde Welt entführt, aus der es kein Entkommen zu geben scheint. Auch Arnby versteigt sich hier aber schließlich, verirrt sich in seinem Changieren zwischen Wahn und Wirklichkeit und enttäuschend fällt folglich das Ende aus.


Ab heute in den österreichischen und deutschen Kinos

FKC Dornbirn im Cinema Dornbirn: Mi 8.7., 18 Uhr + Do 9.7., 19.30 Uhr (dän. O.m.U.)


Trailer zu "Suicide Tourist"



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