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  • AutorenbildWalter Gasperi

Streaming: The Pink Cloud


Eine hochgiftige rosa Wolke zwingt die Menschen weltweit zu Hausarrest. – Klingt wie der erste Corona-Film, doch das Drehbuch schrieb die Brasilianerin Iuli Gerbase schon 2017 und gedreht wurde 2019: Das Kammerspiel, das auf den Auswirkungen dieses jahrelangen Eingesperrtseins auf eine Beziehung fokussiert, wird bei filmingo.ch ab 8.4. exklusiv zum Streaming angeboten.


Schon im Vorspann wird darauf hingewiesen, dass das Drehbuch 2017 entstand, 2019 gedreht wurde und alle Parallelen zu aktuellen Ereignissen Zufall sind. Betont wird damit natürlich auch, dass "The Pink Cloud" kein Reflex auf die Corona-Pandemie ist, sondern vielmehr diese visionär vorwegnahm.


Unscheinbar und harmlos wirkt die rosa Wolke, die man sogleich am weiten Himmel sieht, doch dissonante Musik kündet schon Unheil an und wenig später bricht eine Frau auf einem Steg an einem See tot zusammen. Abrupt wechselt Iuli Gerbase mit einem Schnitt zu Giovana (Renata de Lélis) und Yago (Eduardo Mendonça), die sich erst am Abend zuvor auf einer Party kennengelernt haben, und die Nacht gemeinsam auf Giovanas Terrasse verbringen. Als sie am Morgen Sirenen und die Durchsage Fenster zu schließen und die Wohnung nicht zu verlassen aus der Hängematte hochschrecken lassen, ziehen sie sich in Giovanas Wohnung zurück.


Bis zum Ende wird "The Pink Cloud" diese Stadtwohnung nicht verlassen, wird ganz auf Giovana und Yago fokussieren. Das rosa Licht der Wolke scheint dabei teilweise die in warme Brauntöne getauchte moderne und geräumige Wohnung zu infiltrieren. Verpflegung und andere Güter erhalten die beiden Mittdreißiger kontaktlos durch Schleusen über einen von der Regierung eingerichteten Lieferservice.


Machen am Beginn noch Fernsehnachrichten bewusst, dass es sich um eine globale Katastrophe handelt, bleibt die Außenwelt bald zunehmend ausgespart. Über Video-Calls hat Yago Kontakt mit seinem zunehmend dementen Vater, der von einem Pfleger betreut wird, und Giovana mit ihrer Freundin Sara, die als Single allein in ihrer Wohnung ist und zunehmend an Depressionen leidet, sowie mit ihrer kleinen Schwester, die bei einer Freundin ist.


Zunächst kommen Giovana und Yago, die erst noch ein echtes Paar werden müssen, mit der neuen Situation zwar recht gut zurecht, diskutieren über den Alltag und Kinderwünsche und simulieren mit Rollschuhlaufen und Disco in den eigenen vier Wänden Normalität. Doch mit dem Nachlassen der Leidenschaft kommen zunehmend Spannungen auf. Auch die Versuche mit Rollenspielen die Beziehung zu befeuern und die Geburt eines Sohnes bringen nur vorübergehend eine Besserung der Beziehung. Langsam leben sie sich auseinander und teilen sich die zwei Etagen, finden dann aber doch wieder zueinander. Während Yago aber lernt sich in die Situation und die damit verbundenen Einschränkungen zu fügen, kann Giovana die Isolation zunehmend weniger akzeptieren und begehrt dagegen auf.

Mit großen Ellipsen spannt Iuli Gerbase die Handlung über rund zehn Jahre. Von Jean-Paul Sartres "Geschlossene Gesellschaft" und Luis Bunuels "Der Würgeengel" hat sie sich zu ihrem Debüt inspirieren lassen. In Zeiten des Corona-Lockdowns weckt dieses subtile Kammerspiel, das auf jedes laute Katastrophenfilm-Brimborium verzichtet, freilich ganz andere und je nach persönlichen Erfahrungen unterschiedliche Assoziationen.


Der Fokus liegt auf der Paarbeziehung und deren Veränderung in der Isolation. Immer spärlicher werden im Lauf der Zeit die Videocalls, immer mehr ist das Paar und später die Kleinfamilie auf sich zurückgeworfen. Während ihr Sohn Lino, der nie ein anderes Leben kennengelernt hat, die Wolke sogar liebt, sehnt sich Giovana nach dem alten Leben, nach Natur und Strandausflügen, die sie mit Virtual Reality-Brille in die Wohnung zu holen versucht. Wie in Corona-Zeiten auch schon mehrfach, kündigt sich auch hier vorübergehend ein Ende der Isolation an, bis diese Hoffnung platzt und weiteres Ausharren in der Wohnung nötig ist.


Faszinierend sind die Ausgangssituation und die Idee konsequent auf den Auswirkungen auf die Paarbeziehung zu fokussieren. Ganz kann aber Gerbase die Spannung nicht durchhalten. Nicht zuletzt aufgrund des sehr begrenzten Schauplatzes und der Reduktion auf drei Charaktere stellen sich doch auch Längen ein, gleichzeitig spiegelt sich darin auch die reale Monotonie dieses Lebens. Insgesamt ist das aber in der Konsequenz von Handlungsaufbau und Inszenierung und dem geschickten Spiel mit Innen und Außen, bei dem Blicke durchs Fenster auf benachbarte Wohnungen oder den Himmel immer wieder die Beklemmung der Gefängnissituation verstärken, ein starkes und natürlich topaktuelles Debüt.


Gar nicht daran denken will man aber, was passieren könnte, wenn die Welt in ähnlicher Weise über Jahre Corona nicht in den Griff bekommen sollte wie hier die unsichtbar bleibenden Regierenden und Wissenschaftler diese rosa Wolke.


Streaming ab 8.4. bei filmingo.ch (Schweiz und Liechtenstein)


Trailer zu "The Pink Cloud"



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