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  • AutorenbildWalter Gasperi

Streaming: Kopfplatzen


Mit seinem Spielfilmdebüt gelingt Savaz Cevic ein intensives und beklemmendes Porträt eines jungen Mannes, der verzweifelt mit seiner pädophilen Neigung kämpft. Das von einem starken Max Riemelt in der Hauptrolle getragene Drama wird von Salzgeber Film in Deutschland und Österreich zum Streaming angeboten.


Auf eine Abfolge von Bildern von Gegenständen einer Wohnung erfasst die Kamera aus der Distanz einen jungen Mann (Max Riemelt), der vor dem Fernseher masturbiert. Die sterile, nur dürftig möblierte Wohnung, die Dominanz von Grautönen und fahlen Farben, die den ganzen Film bestimmen, sowie die Herbststimmung evozieren von Anfang an eine bedrückende Atmosphäre.


Der 29-jährige Markus ist im Architekturbüro, in dem er arbeitet, zwar beliebt, meidet aber sozialen Kontakt, geht weder mit einer Kollegin nach der Arbeit noch mit Männern aus dem Fitnesscenter etwas trinken. Vorwiegend sieht man ihn alleine, gesprochen wird nur wenig, die Musik ist auf ein Minimum reduziert.


Immer wieder isoliert die Kamera von Anne Bolick Markus, zeigt ihn allein auf den Straßen oder sperrt ihn förmlich in seiner Wohnung ein, aus der er auf Kinder auf einem nahen Spielplatz blickt. Allzu aufdringlich symbolhaft sind allerdings seine Besuche eines Geheges, in das ein einsamer Wolf gesperrt ist, um die Menschen vor dessen triebhafter Aggression zu schützen.


Das zurückhaltende, aber sehr konzentrierte Spiel von Max Riemelt lässt den Zuschauer intensiv erfahren, wie dieser Markus mit sich selbst kämpft, wie er sich für seinen Trieb hasst. Auch mit dem Boxtraining im Fitnesscenter oder mit wilden Schlägen in den Sandsack lässt sich dieser nicht vertreiben. Dazu kommt, dass ihn dieses Begehren mit solcher Scham erfüllt, dass er nur in anonymen Internetchats sich dazu bekennen kann. Mit seiner Schwester, die er zum Geburtstag seines Neffen besucht, kann er dagegen nicht darüber sprechen und, als er sich seinem Hausarzt gegenüber öffnet, wirft dieser ihn umgehend aus der Praxis.


Ganz aus der Perspektive seines Protagonisten erzählt Cevic. In jeder Szene ist Markus präsent und der Kamerablick auf Jungs im Bus, auf ihren Kopf und ihren Nacken lassen spüren, wie das Verlangen in ihm brodelt. Immer wieder sucht er das Schwimmbad auf, wo er heimlich Knaben fotografiert, geht einmal auch einem von ihnen auf seinem Heimweg im Halbdunkel durch einen Park nach.


Souverän arbeitet Cevic nicht nur in dieser Szene mit den Mitteln des Spannungskino, wenn er immer wieder Befürchtungen schürt, dass sich Markus doch an einem Kind vergreifen könnte. Doch es geht dabei nicht um billigen Thrill, sondern um die intensive Vermittlung dieses Verlangens und der Schwierigkeit sich ihm zu entziehen.


Die Situation spitzt sich zu, als im selben Block wie Markus die alleinerziehende Jessica mit ihrem achtjährigen Sohn Arthur einzieht. Sie lädt ihn zum Essen ein, bittet ihn bald als Babysitter auf Arthur aufzupassen, verliebt sich in den freundlichen jungen Mann, der für Arthur rasch zum Ersatzvater wird. Aber auch Jessica kann sich Markus nicht öffnen, stößt aber auf einen Psychiater, der Hilfe für Pädophile anbietet.


Doch vom Fachmann muss er erfahren, dass Pädophilie eine Neigung sei, die man nicht heilen könne und dass er lernen müsse damit zu leben. Keine Schuld trage er daran, wohl aber sei er für mögliche Handlungen verantwortlich und solle sich deshalb möglichst von Kindern fernhalten.


Intensiv vermitteln diese Gespräche mit dem Arzt den Widerspruch, der in Markus tobt. Wie Peter Lorres Kindermörder in Fritz Langs klassischem "M" ist er ein Getriebener, der nicht will, sondern muss, sich Übergriffen zwar bislang mit größter Selbstbeherrschung oder auch nur durch einen Zufall entziehen konnte, aber einer tickenden Zeitbombe gleich auch jederzeit seinem Trieb erliegen und sich an einem Jungen vergreifen kann.


Mit großer Konsequenz und Stringenz ist das inszeniert, besticht durch die ebenso kühle wie präzise Bildsprache, die die innere Gefangenschaft, die Qual und die Einsamkeit von Markus auch durch die Dominanz von statischen Einstellungen vermittelt. Ganz auf dem Protagonisten und dem einen Thema fokussiert "Kopfplatzen", jede Szene dient der Verdichtung des Porträts. Trotz dieser Fokussierung bleibt Markus für Zuschauer unnahbar und fremd, aber Cevic verurteilt ihn nicht, sondern zeichnet ihn sachlich und nüchtern als schuldloses Opfer seiner Neigung, zeigt aber auch, wie schwer sich die Gesellschaft tut mit solchen Menschen umzugehen.

Streaming bei Salzgeber Film für 4,90€ / 24 Stunden


Trailer zu "Kopfplatzen"



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