Sorda - Der Klang der Welt
- Walter Gasperi

- vor 4 Tagen
- 3 Min. Lesezeit

Eva Libertad versetzt die Zuschauer:innen in ihrem ganz im Alltäglichen verhafteten, unaufgeregten zweiten Spielfilm intensiv in die Wahrnehmungswelt einer Gehörlosen und vermittelt berührend das Gefühl der Ausgrenzung in einer Welt der Hörenden: Ein in seinem genauen Blick und seiner zurückhaltenden Inszenierung lange nachwirkendes Filmerlebnis, das für die Situation von Gehörlosen sensibilisiert.
In jeder Szene von "Sorda", dessen Titel übersetzt "gehörlos" heißt, spürt man, dass Eva Libertad genau weiß, wovon sie erzählt. Verwundern kann das nicht, ist ihre Schwester Miriam Garlo doch selbst seit dem achten Lebensjahr gehörlos. Schon 2021 erzählte Libertad im preisgekrönten Kurzfilm "Sorda", ausgehend von der persönlichen Situation ihrer Schwester, die auch die Hauptrolle spielte, von einer gehörlosen jungen Frau, die über eine Schwangerschaft nachdenkt.
Im Kinofilm "Sorda", in dem wieder Miriam Garlo die Hauptrolle spielt, ist diese Entscheidung schon gefallen. Schon am Beginn ist die gehörlose Ángela schwanger und freut sich mit ihrem hörenden Partner Héctor (Álvaro Cervantes), der sich ganz auf ihre Welt einlässt und mit ihr und ihren gehörlosen Freund:innen ganz selbstverständlich in Gebärdensprache kommuniziert, auf das Kind.
Auch an ihrem Arbeitsplatz in einer Töpferei kommunizieren die Kolleg:innen mit ihr in Gebärdensprache. Unsicher sind dagegen Ángelas hörende Eltern, wie es denn für eine gehörlose Mutter mit einem Kind in einer Welt der Hörenden sein wird.
Unsicherheit und Zweifel stellen sich aber auch bei Ángela und Héctor bald ein. Nicht nur die Frage, ob ihr Kind ebenfalls gehörlos sein wird, belastet sie nämlich, sondern Ángela muss im Zuge der Schwangerschaft auch zunehmend ihre abgeschlossene und beschützte Welt verlassen. Hilflos fühlt sie sich so bei der Gynäkologin, bei der Héctor für sie dolmetschen muss, und zur Zerreißprobe wird die schwere Geburt, bei der sie im Kreißsaal die Kommentare und Anweisungen der Hebamme und Ärzte nicht versteht und Héctor nicht immer in Sichtweite sein kann, um zu übersetzen.
Mag auch die Freude über die kleine Ona zunächst groß sein, so tut sich Ángela doch schwer eine Beziehung zu ihrem hörenden Kind aufzubauen. Zunehmend fühlt sie sich nämlich ausgeschlossen und überflüssig, weil sie einerseits das Schreien des Babys nicht hört und andererseits das Baby mehr auf Geräusche der Umwelt als auf Ángelas Versuche mit ihm zu gebärden reagiert.
Risse bekommt so auch zunehmend die Beziehung zu Héctor, der nicht nur mit dem Baby spricht und damit Ángela ausgrenzt, sondern bald auch auf einem Spielplatz oder in der Spielgruppe die Kommunikation mit anderen Müttern und Betreuerinnen übernimmt…
Leicht könnte bei so einer Geschichte auf die Tränendrüse gedrückt werden, doch Libertad ist zwar einerseits nah an ihren Figuren dran, inszeniert aber andererseits mit größter Zurückhaltung und nüchtern. Nichts wird hier dramatisiert, sondern betont unaufgeregt ist die Erzählweise und mit genauem Blick für den Alltag vermittelt die 47-jährige Spanierin, die immer auf Augenhöhe mit ihren Protagonist:innen ist, die vielfältigen Schwierigkeiten von Gehörlosen in einer Welt der Hörenden und das langsam wachsende Gefühl der Ausgrenzung.
Klein gehalten ist im Grunde die Handlung, entwickelt aber gerade durch die Konzentration auf Ángelas Entwicklung bewegende Kraft. Getragen wird "Sorda" dabei vom natürlichen Spiel des gesamten Ensembles, aber vor allem von der Hauptdarstellerin Miriam Garlo. Sichtlich geprägt von persönlichen Erfahrungen lässt sie Ángelas Geborgenheit im Kreis von gehörlosen Freund:innen, aber auch in der Zweisamkeit mit Héctor ebenso intensiv spüren, wie deren wachsendes Gefühl der Ausgrenzung mit der Öffnung zur Welt der Hörenden.
Nochmals verstärkt wird die Wirkung des Films, wenn Libertad im Finale an die Stelle des Blicks von außen mit Beschränkung des Tons auf ein dumpfes Rauschen die Innenperspektive Ángelas vermittelt. Eindrücklich erfahrbar wird dabei auch, wie wenig die von der Umwelt empfohlene Verwendung eines Hörgeräts hilft, wird dadurch doch nur der Geräuschpegel unerträglich hoch, während man gleichzeitig im Stimmengewirr dennoch nichts versteht.
Auf Schuldzuweisungen verzichtet "Sorda", der in den Kinos mit Untertiteln für Hörgeschädigte gezeigt wird, dabei ebenso wie auf einfache Lösungsvorschläge, sensibilisiert aber mit seiner intensiven Vermittlung der Wahrnehmungswelt von Gehörlosen nachhaltig für einen achtsameren Verhalten im Kontakt mit diesen Menschen, der sich beispielsweise in deutlicher Lippensprache und der Verwendung nonverbaler Kommunikationsmittel äußern kann.
Sorda – Der Klang der Welt
Spanien 2025
Regie: Eva Libertad
mit: Miriam Garlo, Álvaro Cervantes, Elena Irureta, Joaquín Notario, Daniela Saura Pérez, Elaia Sánchez
Länge: 99 min.
Läuft derzeit in den Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen und im Skino Schaan.
Kinothek extra in der Kinothek Lustenau: Mo 8.12., 18 Uhr + Mi 17.12., 20 Uhr
Filmforum Bregenz im Parktheater Lindau: Do 18.12., 19.30 Uhr FKC Dornbirn im Cinema Dornbirn: Mi 28.1., 18 Uhr + Do 29.1., 19.30 Uhr
Trailer zu "Sorda - Der Klang der Welt"




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