Douglas Wolfsperger zeichnet in seinem Dokumentarfilm den erfolglosen Kampf um die Erhaltung des renommierten Konstanzer Programmkinos Scala nach und prangert eine Stadtentwicklung an, in der Geschäft über Kultur gestellt wird.
Die ersten Filmerfahrungen hat der 1957 in Zürich geborene und am Bodensee aufgewachsene Douglas Wolfsperger im Scala Filmpalast in Konstanz gemacht. Hier hat er Winnetou und Louis de Funès, später Fellini, Fassbinder und Herzog entdeckt. Jetzt kehrt er über den Bodensee in seine Heimatstadt, deren Motto ist, "wer hier lebt, hat wirklich Glück" zurück und will den Kampf um die Erhaltung dieses 1938 eröffneten Kinos, das zusammen mit der Stadt aufgrund der Nähe zur Schweiz den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden hat, filmisch dokumentieren.
Die in der Nacht leuchtenden Neon-Buchstaben auf der Fassade erinnern an die Glanzzeit des Scala, doch ganz so gut lief es in letzter Zeit wohl nicht mehr. Passionierte Filmfans, die teilweise täglich dieses Kino besuchten, lässt Wolfsperger ebenso zu Wort kommen wie die Schauspielerin Eva Mattes, die in der Bodensee-Stadt als "Tatort"-Kommissarin ermittelte. Alle beschwören die Faszination des Kinos und die Qualität eines Lichtspielhauses, in dem das Programm mit Herzblut und Leidenschaft gemacht wird, der Betreiber fürs Kino brennt statt nur Filme wie eine x-beliebige andere Ware auf den Markt zu werfen. Dem Scala könne man sich eben blind anvertrauen, denn handverlesen sei das Programm.
Mit gehörigem Biss stellt der Film dagegen die politischen Entscheidungsträger bloß, die sich ebenfalls vor der Kamera äußern. Da vertritt der für Kultur zuständige Gemeinderat die Meinung, dass die Schließung des Scalas ein verschmerzbarer Verlust sei, der Kultur-Bürgermeister wettert gegen die Initiative zur Erhaltung des Scala und Zitate aus einem Buch des Oberbürgermeisters zu nachhaltigem Wirtschaften stehen in diametralem Gegensatz zu seinen Taten. Polemisch, aber schlüssig deckt Wolfsperger so den Filz von Interessen von Investor und Politik auf, bei denen die Kultur gegenüber dem Profitdenken den Kürzeren zieht.
Ein wehmütiger und sehr persönlicher Film ist das und immer wieder ist auch Wolfsperger selbst im Bild. Auf seinen Wegen führt er dabei auch zu versteckten Plätzen der Stadt, die einst mit einem der ersten grünen Bürgermeister Deutschlands modernen Ideen gegenüber als aufgeschlossen galt.
Doch gleichzeitig geht "Scala Adieu – Von Windeln verweht" durch den genauen Blick auf die Schließung des Scala weit über den Einzelfall hinaus und zeichnet exemplarisch das Bild einer Gesellschaft, in der die Städte immer uniformer werden, kein Wert auf Kultur und Traditionen gelegt wird und stattdessen die teuren Innenstadtplätze zunehmend von Einkaufszentren, Kleidergeschäften und Drogeriemärkten dominiert werden.
Gerade in Konstanz hat sich diese Entwicklung in den letzten Jahrzehnten verschärft, da durch die nahe Schweiz die Stadt von Einkaufstouristen geradezu überflutet wird. Vor allem unterschiedliche Drogeriemärkte, aber auch mehrere Filialen des gleichen Konzerns schossen deshalb im Stadtzentrum und in unmittelbarer Nähe zueinander aus dem Boden und sorgten dafür, dass Konstanz den Beinamen "Windelhauptstadt Deutschlands" erhielt.
Chancenlos ist hier eine Unterschriftensammlung und eine Bürgerinitiative gegen die Schließung des Kinos und am Ende steht dessen symbolische Beerdigung. So wehmütig Wolfspergers Film ist, der in seinen Landschaftsbildern und Stadtansichten auch immer wieder die Schönheit der Bodenseestadt feiert, so bitter ist der Blick auf eine Stadtentwicklung, bei der Profit über Kultur gestellt wird und Orte des Träumens durch Orte des Kaufens ersetzt werden.
Kinok St. Gallen: Mi 23.9., 20 Uhr - in Anwesenheit von Douglas Wolfsperger FKC Dornbirn im Cinema Dornbirn: Do 24.9., 19.30 Uhr - in Anwesenheit von Douglas Wolfsperger und mit anschließender Podiumsdiskussion über die Kinosituation und Kinozukunft in Vorarlberg
Trailer zu "Scala Adieu - Von Windeln verweht"
Comments