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  • AutorenbildWalter Gasperi

Sami, Joe und Ich


Mit jugendlich frischer Inszenierung und drei umwerfend natürlichen Hauptdarstellerinnen fängt Karin Heberlein mitreißend das Lebensgefühl heutiger Teenager ein und erzählt von Träumen und Niederschlägen, die einzig die starke Freundschaft zu bewältigen hilft.


Sami (Anja Gada), Joe (Rabea Lüthi) und Leyla (Jana Sekulovska) sind knapp 16, chillen am Vorabend ihres letzten Schultags am Sportplatz und das ganze Leben scheint vor ihnen zu liegen. Flotte Rapmusik, eine dynamische und nah geführte Kamera und kräftige Farben, vor allem aber die umwerfend natürlich agierenden Hauptdarstellerinnen Anja Gada, Rabea Lüthi und Jana Sekulovska vermitteln intensiv die Unbeschwertheit und die Lebensfreude der drei Teenager.


Am nächsten Tag geht es noch einmal in die Schule, in der sich Frau Novak leidenschaftlich um ihre Schützlinge gekümmert hat und Leyla auch schon eine Lehrstelle vermitteln konnte, während sich die Latina Joe diesen Bemühungen offensichtlich widersetzt hat.


Während Leyla so schon am Beginn der folgenden Woche ihre Lehre in einer Großküche antritt und mit einem mürrischen und strengen Chef konfrontiert wird, der sogleich klarmacht, dass er Zuspätkommen oder Handybenutzung während der Arbeit nicht tolerieren wird, scheint die blonde Sami noch keine klaren Zukunftspläne zu haben. Sie leidet vor allem unter ihrem strengen, bosnischstämmigen Vater, der die Freiheit des Teenagers zunehmend drastischer einschränkt. Die Ehefrau, die seine Strenge mit Erfahrungen im Bosnienkrieg erklärt, hat hier nichts zu sagen.


Wenig verwunderlich ist es, dass Sami, angeregt von einem Freund ihres älteren Bruders, in Internetforen sich über Camps informiert, in denen Jugendliche sich angeblich sozial engagieren und beispielsweise gegen das Elend in den Flüchtlingslagern aktiv werden. Joe wiederum muss sich um ihre beiden kleineren Geschwister kümmern, während ihre alleinerziehende Mutter arbeitet. Doch bald findet sie über ihre Mutter einen Job als Reinigungskraft.


Parallel erzählt Karin Heberlein von diesen drei migrantischen Teenagern. Leyla mag zwar am Beginn als ich-Erzählerin eingeführt werden, wird aber in der Folge keine Sonderstellung einnehmen, sondern alle drei Freundinnen werden in gleichem Maße präsent sein. So dynamisch dabei der Beginn des Films ist, so leidenschaftlich Heberlein die jugendliche Lebensfreude und die Intensität der Freundschaft in ihrem Spielfilmdebüt, das beim letzten Zurich Film Festival mit dem Publikumspreis ausgezeichnet wurde, zunächst beschwört, so ziehen doch spätestens ab der Mitte des Films düstere Wolken und schwere Niederschläge auf.


Schwer ist es hier am indianischen Lebensmotto von Leylas verstorbener Mutter, dass man immer mehr Träume haben soll, als die Wirklichkeit zerstören kann, festzuhalten, doch Heberlein beschwört auch mitreißend die Kraft der Freundschaft und die Solidarität der drei Mädchen, die sich entschlossen füreinander einsetzen, und lässt mit der Schlusseinstellung doch wieder hoffnungsfroh in eine offene Zukunft blicken.


Seine Kraft und Intensität gewinnt "Sami, Joe und ich" dadurch, dass Heberlein immer ganz auf Augenhöhe mit ihren Protagonistinnen ist und aus ihrer Perspektive erzählt, die durch das enge 4:3 Format noch verstärkt wird. Hier gibt es keine Vorgeschichten, ganz auf das Hier und Jetzt fokussiert die Debütantin und der soziale Rahmen beschränkt sich auf die drei unterschiedlichen familiären Verhältnisse.


Dass hier nichts aufgesetzt wirkt, sondern dieses Debüt wunderbar authentisch daherkommt, liegt freilich auch an den drei famosen Hauptdarstellerinnen, die ganz in ihren Rollen aufgeben und wohl viel ihrer eigenen Erfahrungen und Gefühle in diese hineingelegt haben. Steht dabei am Beginn dieses Trio und die Freundschaft im Zentrum, so driften sie mit den alltäglichen Verpflichtungen auseinander, bis sich in den Krisen die Freundschaft wieder bewähren muss.


Sicher wechselt Heberlein auch den Rhythmus von temporeichem und mit viel Musik unterlegtem Beginn zu den bitteren leisen Momenten, sodass dieses Coming-of-Age-Drama, das teilweise an Céline Sciammas "Bande de filles" erinnert, in jeder Szene ehrlich wirkt und mit seinem Blick und Gespür für die Gefühlswelten, Träume und Probleme junger Frauen haften bleibt.


Läuft derzeit in den Schweizer Kinos - z.B. im Kinok St. Gallen


Trailer zu "Sami, Joe und ich"



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