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  • AutorenbildWalter Gasperi

Robuste


Constance Meyer lässt in ihrem Langfilmdebüt einen ausgebrannten alternden Schauspieler auf eine junge afrikanischstämmige Personenschützerin aufeinandertreffen: Eine großartige Plattform für den Alt-Star Gérard Depardieu und die Newcomerin Déborah Lukumuena.


Nichts geht mehr im Leben des Schauspielers Georges (Gérard Depardieu). Wenn er bei der nächtlichen Fahrt mit dem Motorrad stürzt, sich aber wieder hochrappelt, signalisiert das seinen angeschlagenen Zustand ebenso wie seine Robustheit.


Schwierig hat es das Filmteam mit ihm, denn wenig Interesse zeigt er, die Dialoge zu lernen, Unterricht für die Fechtszenen zu nehmen, lehnt er ab. Auch die Kostüme des historischen Films sind ihm zu dick, engen ihn ein, gleichzeitig verweist das auf den Panzer, mit dem er sich im Leben umgibt: Allein lebt er in einer modernen Villa, in der auch die Tiefseefische im Aquarium ein treffendes Bild für seine Einsamkeit sind. Poetisch und berührend sind diese in kaltes blaues Licht getauchten Momente im nachtdunklen Raum des Aquariums.


Gegenpol zu Georges ist die afrikanischstämmige Mittzwanzigerin Aïssa (Déborah Lukumuena). Als Amateur-Ringerin gibt sie sich kämpferisch, aber auch sie ist im Grunde einsam und macht sich keine Illusionen über die Perspektivlosigkeit ihrer Beziehung zu ihrem schmächtigen Kollegen: Mehr Zeitvertreib als eine große Liebe ist das.


Außer der Körperfülle und der Einsamkeit verbindet Georges und Aïssa nichts. Auch im Gegensatz von seiner Villa und ihrem Leben in einer kleinen Hochhauswohnung wird die soziale Differenz sichtbar. Doch ein Auftrag führt sie zusammen: Eineinhalb Monate soll sich Aïssa als Ersatz für einen verreisten Kollegen um Georges als Personenschützerin kümmern. Sie soll ihn fahren, ihm beim Studium der Rolle helfen und dafür sorgen, dass er zu den Dreharbeiten rechtzeitig erscheint. Leicht ist das nicht, denn der selbstherrliche und griesgrämige Star haut immer wieder ab und geht seine eigenen Wege.


Mit viel Feingefühl und sichtlicher Liebe zu ihren angeschlagenen Protagonist*innen erzählt Constance Meyer von diesem ungleichen Duo, das sich langsam doch irgendwie näherkommt. Ganz auf die beiden Hauptdarsteller*innen Gérard Depardieu, mit dem die 38-jährige Regisseurin schon bei ihren Kurzfilmen zusammengearbeitet hat, und Déborah Lukumuena zugeschnitten ist "Robuste".


Blendend harmonieren das Urgestein des französischen Kinos und die Newcomerin. Depardieu, der teilweise eine Version von sich selbst spielt, rückt sich nicht selbstgefällig in den Vordergrund, sondern hält sich zurück und macht mit viel Gespür die Einsamkeit von Georges erfahrbar. Nicht verstecken muss sich hinter dem Alt-Star Déborah Lukumuena und begegnet ihm auf Augenhöhe. Einfühlsam vermittelt sie die Zerbrechlichkeit, die sich hinter der kämpferischen und starken Fassade, die Aïssa als Ringerin nach außen zur Schau stellt, versteckt.


Vom Spiel des Duos und von Meyers genauem Blick auf die beiden Protagonist*innen, die Simon Beaufils´ Kamera mit vielen Groß- und Nahaufnahmen immer wieder leinwandfüllend ins Bild rückt, lebt "Robuste" ebenso wie von der unaufgeregt-zurückhaltenden Erzählweise. Fast scheint es so, als ob Meyer nur zuschaut, was ihre beiden Darsteller*innen machen und doch ist diese Dramödie auch sorgfältig geschrieben und inszeniert.


Ein bittersüßes Vergnügen bereitet es so, diesem Odd Couple und der Entwicklung ihrer Beziehung zuzusehen. Reagiert der schroffe Georges zunächst desinteressiert bis ablehnend aus seine neue Personenschützerin, erwacht sein Interesse, als er ihre Kampffähigkeit erkennt. Die stets höfliche und geduldige, professionell auftretende Aïssa sieht in ihrem Auftrag dagegen zunächst nur einen weiteren unbefriedigenden Job, bei dem sie quasi Babysitterin spielen soll, doch bald berührt sie die Einsamkeit von Georges.


Jeder von beiden erkennt langsam im anderen auch sich selbst und seine eigenen Probleme mit dem Leben. Erst über diesen Spiegel lernen sie zumindest teilweise aus ihrer Kapsel zumindest teilweise auszubrechen. Erfreulich ist dabei auch, dass Meyer die Klischees solcher Geschichten vermeidet, sicher die Balance zwischen Drama und Komik wahrt und ihr Debüt mit einem großartigen Film-im-Film-Auftritt von Depardieu, in dem nochmals melancholisch die ganze Verzagtheit und Verlorenheit seines Georges auf den Punkt gebracht wird, enden lässt.


Robuste Frankreich 2021 Regie: Constance Meyer mit: Gérard Depardieu, Déborah Lukumuena, Lucas Mortier, Megan Northam, Florence Janas, Steve Tientcheu, Théodore Le Blanc Länge: 95 min.


Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen und im Skino Schaan.


Trailer zu "Robuste"


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