Realität und Fiktion verschwimmen, wenn Gad Elmaleh mit sich selbst in der Haupt- und seiner Familie in Nebenrollen von einem jüdischen Schauspieler erzählt, der zum Katholizismus konvertieren will. – Differenziert lotet Elmaleh zwar das Spannungsfeld von familiären Bindungen und individueller Glaubensentscheidung aus und deckt religiöse Stereotype auf, doch insgesamt ist diese Komödie sehr zahm und zu wenig pointiert.
Der autobiographische Hintergrund wird schon spürbar, wenn Gad Elmaleh im Voice-over von seiner religiösen Sozialisation in Casablanca erzählt. Juden, Christen und Moslems lebten dort nebeneinander, doch ihm war als Kind sephardischer Juden das Betreten einer Kirche oder Moschee ebenso verboten wie andersgläubigen Kindern der Besuch der Synagoge.
Dennoch schlich Gad sich als Kind einmal in eine christliche Kirche und ist seither von der Jungfrau Maria fasziniert. Im Lauf der Jahre hat er eine tiefe Beziehung zur Muttergottes aufgebaut, fühlt sich von ihr beschützt und unterstützt. Doppeldeutig kann somit der Filmtitel auf Gads Beziehung zu Maria bezogen werden als auch auf die Wünsche und Hoffnungen von Gads Familie in Bezug auf seine religiöse Entscheidung.
Neben dem Voice-over verstärken sowohl unscharfe Home-Movies aus der Kindheit den persönlichen Anstrich als auch – und vor allem - der Umstand, dass Elmaleh ebenso sich selbst spielt wie seine Eltern und andere Familienangehörige.
Wie der Film mit der Ankunft des Schauspielers, Stand-up Comedians und Regisseurs nach einem dreijährigen USA-Aufenthalt in Paris beginnt, so wird er auch mit der Abreise Gads enden. Dazwischen liegen fünf Wochen, in denen er mit seiner Entscheidung sich taufen zu lassen ringt.
Denn so säkularisiert die heutige Welt auch ist, so wirkt sich diese sehr persönliche Glaubensentscheidung bei religiösen Eltern doch auf das ganze Familienleben aus. So verschweigt Gad auch Vater und Mutter, die überzeugte Juden sind, seinen Entschluss zur Konversion, denn er weiß genau, dass sie dies nie akzeptieren würden.
Doch dann entdeckt die Mutter in seinem Zimmer eine Marienstatue und bei einem Abendessen wird offen sein Entschluss sich taufen zu lassen thematisiert. Die Eltern zeigen - wie erwartet - kein Verständnis dafür, sodass der 50-Jährige, der keinesfalls mit der geliebten Familie brechen will, hin- und hergerissen ist.
Gespräche mit einem Rabbi und einer Rabbinerin folgen ebenso wie mit einem Priester. Eine junge Katholikin demonstriert ihm mit ihrer Fürsorge für einen alten Mann christliche Nächstenliebe, während bei einem Klosteraufenthalt mit Schweigen beim Essen und einem dichten Netz von Gebetszeiten die Absurdität pingeliger katholischer Regeln parodiert wird.
Vielschichtig lotet Elmaleh in den unterschiedlichen Begegnungen die Schwierigkeit aus, in Glaubensfragen die richtige Entscheidung zu treffen, denn als zentrale Erkenntnis kristallisiert sich heraus, dass glauben eben immer auch zweifeln heißt.
So dokumentarisch "Reste un peu" dabei teilweise auch wirkt, aber in den Gesprächen und der Selbsterkundung auch an frühe Filme Woody Allens wie "Der Stadtneurotiker" oder "Manhattan" erinnert, so ist doch auch das didaktische Moment, um das diese sanfte Komödie aufgebaut ist, nicht zu übersehen.
Da wird eben keine echte Geschichte erzählt und es werden – außer dem Protagonisten – keine plastischen Figuren gezeichnet, sondern alles zielt darauf ab, das Thema der Glaubensentscheidung aus möglichst vielen verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und aufzuzeigen, wie diese sehr persönliche Entscheidung zu familiären Spannungen und Rissen führen kann.
Obwohl dabei einige Momente wie ein Probetaufen im Schwimmbecken oder der Aufenthalt im Kloster durchaus auflachen lassen und andere Momente wiederum zum Nachdenken anregen können, bleibt diese Komödie insgesamt doch zu zahnlos. Weder wird da bissig mit überholten Traditionen abgerechnet noch werden Glaubensfragen wirklich bohrend diskutiert. Zu wenig pointiert ist auch die Inszenierung, wenn Elmaleh doch ziemlich einfallslos eine Begegnung an die nächste reiht, aber der Film nie richtig Drive und Durchschlagskraft entwickelt.
Reste un peu – Bleib bei uns Frankreich 2022 Regie: Gad Elmaleh mit: Gad Elmaleh, Régine Elmaleh, David Elmaleh, Judith Elmaleh, Olivia Jubin, William Azoulay, Nicolas Port, Catherine Thiercelin Länge: 90 min.
Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen
Trailer zu "Reste un peu - Bleib bei uns"
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