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AutorenbildWalter Gasperi

Red Joan - Geheimnis eines Lebens


Unvermittelt wird die Rentnerin Joan Stanley im Jahr 2000 verhaftet, rasch zerbricht die kleinbürgerlich-biedere Fassade: In den 1940er Jahren hat die Physikerin britische Geheimnisse über die Atombombe den Sowjets verraten. – Judi Dench brilliert als alte Joan Stanley, doch die Regie von Trevor Nunn ist zu hausbacken und fernsehmäßig als dass dieses Spionagedrama wirklich Spannung entwickeln könnte.


Im Garten ihres Vorstadthäuschens kümmert sich die 87-jährige Joan Stanley (Judi Dench) um ihre Blumen. Kleinbürgerlich und rechtschaffen wirkt diese Frau, doch schon in der nächsten Szene steht der britische Geheimdienst vor ihrer Tür, beschuldigt sie des Landesverrats und verhaftet sie.


An der wahren Geschichte der Britin Melita Norwood (1912 – 2005) orientiert sich Trevor Nunn bei seinem Drama. 40 Jahre spionierte diese für sowjetische Geheimdienste, bis sie 1999 verhaftet wurde und als "Super-Spionage-Oma" ("The Sun") Schlagzeilen machte.


Dass Nunn und der dem Film zugrunde liegende, 2014 erschienene Roman von Jenny Rooney die Verhaftung von 1999 ins Jahr 2000 verlegen ist noch die kleinste Veränderung, schwerer wiegt schon, dass sie aus einer Sekretärin eine Physikerin und aus der überzeugten Kommunistin Norwood eine Friedenskämpferin machen, die sich nicht von einer Ideologie vereinnahmen lassen will.


Von der Verhaftung und den anschließenden Verhören lässt Nunn Joan auf ihre Studentenzeit in Cambridge in den späten 1930er Jahren zurückblicken, als sie durch die Freundschaft zur undurchschaubaren Mitstudentin Sonya (Tereza Srbova) und die Liebe zu deren Cousin Leo (Tom Hughes) in kommunistische Kreise geriet.


Nie schloss sie sich aber der Partei an, war auch skeptisch gegenüber der Politik Stalins, während ihre Gefährten in den Berichten über dessen Terror westliche Gräuelpropaganda sahen. Nicht aus Begeisterung für den Kommunismus verriet sie Geheimnisse über die Atombombe, zu denen sie als Mitarbeiterin im britischen Nuklearforschungsprojekt „Tube Alloys“ Zugang hatte, sondern um ein Gleichgewicht des Wissens und damit der militärischen Stärke herzustellen und so einen weiteren Weltkrieg zu verhindern.


Ihre beste Tarnung war dabei eine Frau zu sein, denn einer solchen traute in dieser Zeit niemand zu, solche physikalischen Informationen verstehen und weiterleiten zu können. Den Verrat an ihren Kollegen und Bekannten bereute sie zwar, als Landesverräterin sah sie sich aber nicht, sondern betonte ihre Liebe zu England.


Ein spannendes Gewissensdrama steckt in diesem Stoff im Kern und auch die Frage, ob Verrat an der Heimat mit Blick auf höhere Ziele legitim ist, ist durchaus provokativ, doch wirklich packend durchdiskutiert werden diese Aspekte nicht.


Da das Geheimnis der Protagonistin von Anfang an klar ist, kann Spannung kaum durch den Handlungsverlauf - also das Was? -, sondern nur durch die Inszenierung - das Wie? - aufkommen. Sehr hausbacken und fernsehgemäß geht der britische Theaterregisseur dabei aber vor und erzählt die Geschichte im routinierten, aber auch einfallslosen Wechsel von Verhörszenen in der Gegenwart, in der durch die überraschenden Enthüllungen Jonas auch die Beziehung zu ihrem Sohn auf den Prüfstand gestellt wird, und Rückblenden.


Wie gewohnt stark ist Judi Dench, die hier einen interessanten Rollenwechsel vornimmt, spielte sie doch zwischen 1995 und 2012 in sieben James Bond-Filmen M, die Chefin des britischen Geheimdiensts MI 6. Eindringlich verkörpert sie in „Geheimnis eines Lebens“ nun diese Joan als Frau, die die Anschuldigungen sehr treffen und immer noch glaubt damals richtig gehandelt zu haben. Auch die Beziehung zu ihrem Sohn hat Potential, wird aber von Nunn nicht entscheidend verdichtet und weiterentwickelt.


Sorgfältig ausgestattet sind zwar die Rückblenden, aber Nunn beschränkt sich darauf brav die Ereignisse zu bebildern und Szene an Szene zu reihen. Störend wirkt dabei auch, dass die Spionagehandlung zugunsten von Joans Liebesgeschichte zunächst zum Kommunisten Leo, dann zu ihrem verheirateten Vorgesetzten Max in den Hintergrund gedrängt wird. Letztere zwingt Joan schließlich zwar eine Entscheidung zu treffen, doch die Leidenschaften werden in diesem Film, der mehr Melodram als Thriller ist, ebenso wenig spürbar wie die Gewissenskonflikte.


So plätschert die Handlung dahin, die Fülle der Ereignisse sorgt dafür, dass es nicht wirklich langweilig wird, aber echte Spannung kommt auch kaum auf. Nie wird auch klar, was Nunn an dieser Geschichte wirklich interessierte, zu farb- und leidenschaftslos ist seine Inszenierung, und auch die Auftritte von Judi Dench in der im Grunde überflüssigen Rahmenhandlung sind zu kurz, als dass diese große Schauspielerin den Film retten könnte.


Läuft ab 2. Juli im Kinok in St. Gallen und ab 4. Juli in den österreichischen und deutschen Kinos


Trailer zu "Red Joan - Geheimnis eines Lebens"



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