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  • AutorenbildWalter Gasperi

Queen & Slim


Nachdem zwei junge Afroamerikaner einen weißen Polizisten in Notwehr erschossen haben, fliehen sie quer durch die USA. – Melina Matsoukas schreibt eine Bonnie & Clyde-Story auf die Black Lives Matter-Bewegung um und bietet in den einzelnen Szenen packendes und engagiertes Kino, zu einfach gestrickt ist allerdings das Drehbuch.


In einem Diner lernen sich zwei junge Afroamerikaner, er ist Schuhverkäufer, sie Anwältin kennen. Über Tinder haben sie Kontakt geknüpft, doch zäh verläuft die Konversation – ein zweites Mal werden sie sich wohl kaum treffen. Namenlos bleiben sie bis zum Ende, nie fallen auch die titelgebenden Spitznamen Queen und Slim, obwohl der Film ganz auf das Duo zugeschnitten ist.


Klagt sie im Diner noch über die rassistische Polizei und ein Rechtssystem, das Afroamerikaner krass benachteiligt, so erleben sie das soeben Besprochene auf der nächtlichen Heimfahrt sogleich selbst hautnah.


Intensiv macht Melina Matsoukas erfahrbar, wie eine nächtliche Polizeikontrolle für Afroamerikaner oft eine lebensgefährliche Angelegenheit ist, die kleinste Bemerkung die Situation eskalieren lassen kann. Als die Anwältin gegen die schikanöse Behandlung protestiert und mit dem Smartphone filmen will, greift der weiße Cop zur Waffe, woraus sich ein Kampf entwickelt, in dessen Verlauf der Afroamerikaner den Polizisten in Notwehr erschießt.


Weil den beiden Schwarzen vor Gericht nie Gerechtigkeit wiederfahren würde, ergreifen sie die Flucht. Vom winterlichen Ohio geht es auf einsamen Landstraßen nach Kentucky und weiter nach New Orleans, wo ein Onkel der Anwältin lebt.


Geschickt stellt Matsoukas dabei auch die klassischen Geschlechterrollen auf den Kopf, denn treibende Kraft bei dieser Flucht ist die Frau, während der Mann eher inaktiv bleibt. Mit diesem ungleichen Duo, das von den beiden jungen Hauptdarstellern Daniel Kaluuya und der Britin Jodie Turner-Smith leidenschaftlich und mit großer Präsenz gespielt wird, ist „Queen & Slim“ auch ein klassisches Buddie-Movie, denn zum Liebespaar werden sie erst gegen Ende.


Stets müssen sie auf dieser Reise auf der Hut sein, nie ist klar, wer hinter ihnen steht und wer sie verraten wird. Hochspannende Szenen entwickelt Matsoukas immer wieder und zeigt auch, wie die beiden Flüchtenden durch die mediale Berichterstattung zu Identifikationsfiguren und Helden der afroamerikanischen Community werden, den Widerstand gegen den Rassismus und die Diskriminierung befeuern.


So spannend Matsoukas freilich die einzelnen Begegnungen inszeniert, so sehr tendiert die Erzählweise insgesamt zu einem recht simplen „und dann“-Modus. Zu einfach gestrickt ist das Drehbuch von Lena Waithe mit dem auf Dauer recht schablonenhaften Wechsel von Autopannen und Stopps bei Tankstellen, beim Onkel oder in einem Tanzschuppen und Bildern von der Fahrt durch die weite amerikanische Landschaft.


Großartig fängt Kameramann Tat Radcliffe diese zwar ein und, wie Matsoukas diese Bilder mit viel afroamerikanischer Musik unterlegt, verrät auch ihre Herkunft vom Musikvideo, aber als Gegenbild zur historischen Reise der afrikanischen Sklaven von den Südstaaten in den Norden der USA funktionieren diese Szenen nur bedingt. - Sie bleiben doch in erster Linie Verbindungsglieder zwischen den einzelnen Stopps.


Nicht alles ist so gelungen, aber wie Matsoukas nicht nur Arthur Penns klassischen Gangsterfilm „Bonnie & Clyde“, auf den in „Queen & Slim“ auch explizit Bezug genommen wird, und die weibliche Selbstermächtigung in Ridley Scotts „Thelma and Louise“ aktualisiert und auf die „Black Lives Matter“ umschreibt, beeindruckt doch. Über weite Strecken kraftvolles und packendes Genrekino zu bieten und gleichzeitig entschlossen und aufrüttelnd den amerikanischen Rassismus und die Polizeiwillkür anzuprangern ist, ist nicht nur für eine Debütantin eine starke Leistung.


Läuft derzeit im Kino Bludenz (deutsche Fassung) und im St. Galler Kino Scala (englische O.m.U.)


Trailer zu "Queen & Slim"




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