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  • AutorenbildWalter Gasperi

Promising Young Woman


Eine junge Frau schlägt in einem großen Rachefeldzug gegen die permanente und alltägliche Männergewalt zurück. – Getragen von einer großartigen Carey Mulligan in der Hauptrolle gelang der Britin Emerald Fennell eine schwarzhumorige Thrillerkomödie, die treffsicher die vielfältigen Formen von männlichem Chauvinismus anprangert und gleichzeitig einfallsreiche Unterhaltung bietet.


Einst war Cassandra (Carey Mulligan) eine vielversprechende Medizinstudentin – eine "promising young woman" -, doch nun wohnt sie mit 30 immer noch bei ihren Eltern und jobbt in einem Coffee-Shop. Während ihre Mitstudenten erfolgreiche Ärzte sind, hat sie ihr Studium nie beendet. Das Schreckliche, das ihre beste Freundin Nina bei einer Studentenparty von Männern erfuhr, hat sie aus der Bahn geworfen. Seither gilt Cassandra als psychisch labil.


Die große Leerstelle und die treibende Kraft von "Promising Young Woman" ist diese Nina. Ihr Schicksal liegt zwar schon Jahre zurück, doch nachhaltig hat dieses Cassandras Leben beeinflusst. Ganz der Rache an der Männerwelt widmet sie sich nun. Abends hängt sie in Bars herum, gibt sich sturzbesoffen und lässt sich von Männern, die sich als "nice guys" präsentieren, als scheinbar leichte Beute abschleppen. Wenn sie in der ersten Szene wie eine Gekreuzigte in einer Bar auf einem Sofa sitzt, evoziert Emerald Fennell gekonnt das Bild der Frau als Opfer, doch damit bricht diese Protagonistin konsequent. Sobald nämlich der jeweilige Mann sich in seiner Wohnung an Cassie heranmachen will und ihr "Nein" ignoriert, geht sie zur Gegenoffensive über, zeigt, dass die Betrunkenheit vorgetäuscht war und stellt die Männer wegen ihrer sexuellen Übergriffigkeit bloß.


Lang ist in ihrem Notizbuch die Liste derer, die sie schon so auflaufen ließ, doch als sie hört, dass Ninas einstiger Vergewaltiger erfolgreicher Arzt ist und nun heiraten will, kommt das alte Trauma wieder hoch und sie beginnt sich an den damaligen Tätern zu rächen. Aber nicht nur Männer vom Täter bis zum Anwalt, der Nina unter Druck setzte, bis sie die Anzeige zurückzog, kommen dabei zum Zug, sondern auch Frauen, die die Vergewaltigung damals herabspielten oder als einvernehmlichen Sex vertuschten.


In knalligen Bonbonfarben und mit einem Soundtrack, der zwischen leichten Popsongs unter anderem von Britney Spears und Paris Hilton und einer Musik changiert, die düstere Thrillerstimmung aufbaut, entwickelt die 35-jährige britische Schauspielerin, Drehbuchautorin und Regisseurin eine bissige Abrechnung mit der Männerwelt. Gekonnt pendelt "Promising Young "Woman" so zwischen Thriller und Komödie, setzt bald auf Spannung, bald auf Witz, bei dem einem das Lachen öfters im Hals stecken bleiben kann, und schlägt auch einmal einen Haken in Richtung romantische Komödie, bis auch der Traum vom vermeintlichen Märchenprinzen platzt.


Ganz auf die von Carey Mulligan famos gespielte Cassandra zugeschnitten ist diese Rachegeschichte. In jeder Szene ist sie präsent, konsequent aus ihrer Perspektive wird erzählt. Anhand ihrer Geschichte deckt Fennell treffsicher die unterschiedlichsten Formen von Sexismus auf. Von mieser Anmache auf der Straße über sexuelle Beschimpfung bis zum männlichen Blick auf Frauen als leichte Beute spannt sich der Bogen, am schlimmsten aber bleibt natürlich die Vergewaltigung einer Betrunkenen, die die Täter einerseits damit abtun, dass das Opfer das ja auch wollte, andererseits mit ihrem damaligen jugendlichen Alter entschuldigen.


Wenn Cassandra dabei den Blick lüstern blickender Bauarbeiter so lange und so eindringlich erwidert, bis diese sich fluchend abwenden oder wenn sie gegen das Auto eines sie beleidigenden Autofahrers mit dem Golfschläger vorgeht, rechnet Fennell aber nicht nur mit Sexismus ab, sondern zeigt auch Handlungsoptionen dagegen: Nicht mehr als Opfer dürfen sich die Frauen sehen, sondern mit Power müssen sie den Männern kontra bieten.


Mit ihrem Rachedurst ist Cassandra zwar ein ambivalenter Charakter, doch nicht übersehen sollte man, dass sie bei ihren Aktionen immer nur die Täter bloßstellen und ihnen ihr Fehlverhalten bewusst machen will, ihnen aber nie körperlichen Schaden zufügt. Dem gegenüber steht die Brutalität der Männer, deren Skrupellosigkeit in einer heftigen Schlussszene, die nachwirkt, nochmals drastisch und erschütternd aufgezeigt wird.


Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Skino in Schaan - ab 10.6. in den österreichischen und deutschen Kinos


Trailer zu "Promising Young Woman"


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