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  • AutorenbildWalter Gasperi

Pleasure


Eine junge Schwedin möchte in der Pornoindustrie von Los Angeles Karriere machen. - Ninja Thyberg bietet in ihrem Spielfilmdebüt mit einer herausragenden Sofia Kappel in der Hauptrolle aus konsequent weiblicher Perspektive einen schonungslosen und authentischen Einblick in die Mechanismen einer beinharten Branche.


"Business or Pleasure" wird die 19-jährige Schwedin Linnéa (Sofia Kappel) bei der Zollabfertigung in Los Angeles über den Grund ihres Aufenthalts befragt. Ohne zu zögern, antwortet die junge Frau "pleasure" und tatsächlich sind es Abenteuerlust und Sehnsucht nach neuen Erfahrungen, die sie in die USA getrieben haben. Bella Cherry nennt sie sich nach einem Schriftzug eines ihrer 25 Tattoos nun und erklärt, dass sie Lust darauf habe zu ficken. Wenig mit Lust und Vergnügen hat aber das zu tun, was sie bald bei ihrem Versuch erlebt, in der Pornoindustrie Karriere zu machen.


Da müssen zuerst mit ihrem afroamerikanischen Agenten Mike Formulare durchbesprochen und unterschrieben werden, in denen sie ihr Einverständnis mit den sexuellen Aktivitäten und dem Filmen derselben erklärt. Diese Dreharbeiten wiederum laufen rein technisch ab, versprühen wenig Lust, denn genau geplant sind Kamerapositionen und Blicke. Passt eine Szene nicht, wird sie wiederholt.


Mit diesen "normalen" Drehs ist Bella Cherry aber bald nicht mehr zufrieden, denn sie will in der Szene aufsteigen und vom Star-Agenten Mark Spiegler unter die Fittiche genommen werden. Der wimmelt sie aber rasch ab, da sie zu wenig Follower und Klicks in den sozialen Medien habe. So lässt sie sich zunehmend auf härtere Filme ein. Auf Fesselspiele, bei denen man anschließend die Striemen auf ihrem Körper sieht, folgen bald Sexszenen, bei denen sie sich beschimpfen, bespucken und schlagen und schließlich von zwei Afroamerikanern anal ficken lässt.


Lust spielt hier keine Rolle, nur ums Geschäft geht es und fließend sind auch die Grenzen zwischen Freiwilligkeit und Machtmissbrauch der Männer. Auch bei Letzteren bleibt die Lust aber vielfach aus, wenn sie sich mit Potenzmitteln oder durch Lecken von Bella Cherrys Beinen stimulieren müssen.


Mit vollem Körpereinsatz spielt Sofia Kappel diese junge Frau, vermittelt ihre Entschlossenheit ebenso wie ihre Zerbrechlichkeit, wenn sie schließlich verzweifelt die Mutter anruft. Diese weiß freilich nichts vom Job der Tochter, glaubt, dass sie ein gewöhnliches Praktikum absolviere und fordert sie auf durchzuhalten, denn es gebe nun mal schwierige Phasen, die man durchstehen müsse.


Harter Stoff ist dieser Film, denn Thyberg spart nichts aus, schaut kompromisslos und unerbittlich hin. Schon 2013 hat sie einen Kurzfilm "Pleasure" zu dem Thema gedreht, den sie nun für ihr Langfilmdebüt ausgebaut hat. Große Dichte und Durchschlagskraft gewinnt "Pleasure" dabei durch seine Authentizität, deren Grundlage lange Recherchen und genaue Kenntnis der Branche sind.


Die fiktive Figur der Bella Cherry dient Thyberg in erster Linie, um einen quasidokumentarischen Einblick in unterschiedliche Aspekte dieser Industrie zu bieten. Auf Schritt und Tritt folgt die 37-jährige Schwedin ihrer Protagonistin, eine Welt außerhalb dieser Branche scheint es nicht zu geben. Vom Wohnheim führt der Weg zu den Sex-Drehs in sterilen Wohnungen oder exklusiven, aber dennoch sterilen Villen. Fotoshootings werden absolviert, bei denen die Fotografen die Models herumkommandieren, am Abend geht es auf Poolpartys und auch eine Porno-Messe in Las Vegas fehlt nicht.


Nicht nur die Settings sind hier echt, sondern auch die Figuren, denn nur Sonja Kappel ist eine echte Schauspielerin. Alle anderen Mitwirkenden sind dagegen reale Mitglieder der Porno-Branche und spielen teilweise wie Agent Mark Spiegler sich selbst.


Mit ihrer konsequent weiblichen Perspektive deckt Thyberg eindrücklich die Demütigungen und die Unterdrückung der Frau in diesem Metier auf. Nicht nur eine aggressive und brutale Männlichkeit wird hier sichtbar, sondern auch Rassismus, wenn gemischtrassiger Sex als das härteste beschrieben wird. Gleichzeitig zeigt Thyberg aber auch, wie hier immer wieder mit Zuckerbrot gearbeitet wird, wenn die Frauen nach demütigenden Sexszenen, in denen sie von den Männern fertig gemacht wurden, vom Regisseur wieder aufgemuntert und aufgefordert werden weiter zu machen.



Pleasure Schweden / Niederlande / Frankreich 2021 Regie: Ninja Thyberg mit: Sofia Kappel, Revika Anne Reustle, Evelyn Claire, Chris Cock, Dana DeArmond, Kendra Spade, Jason Toler, Mark Spiegler Länge: 109 min.


Läuft derzeit in den Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen


Trailer zu "Pleasure"



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