Eine Tierärztin, die von einer Karriere als Virologin in Paris träumt, soll über den Sommer in einer Tierarztpraxis im Dorf ihrer Kindheit im Burgund aushelfen. – Julie Manoukian lässt in ihrer Komödie nicht nur Stadt und Land aufeinanderprallen, sondern bietet auch einen treffenden Einblick in die stressige Arbeit in einer unterbesetzten ländlichen Tierarztpraxis.
Tierarzt Nico (Clovis Cornillac) ist auf dem Weg zu einem Notfall, gleichzeitig soll er sich noch per Handy um seine beiden Söhne im Volksschulalter kümmern, die allein zu Hause sind und sich in die Haare geraten. Schon mit dieser Auftaktszene vermittelt Julie Manoukian in ihrem Spielfilmdebüt einen Eindruck vom Stress, den die Doppelbelastung von Beruf und Familie für Nico mit sich bringt.
Jetzt will sich auch noch sein Kompagnon Michel zur Ruhe setzen, erklärt aber auch, dass er in seiner Nichte Alex (Noémie Schmidt) eine wunderbare junge Nachfolgerin gefunden habe. Die weiß allerdings gar nichts davon, hält vielmehr in einem sterilen Pariser Hörsaal einen Vortrag über Epidemien und träumt von einer Karriere als Virologin.
Mit einem Anruf, in dem Michel von einem medizinischen Notfall spricht, lockt er die junge Wissenschaftlerin aber zurück in die prächtige Gegend des im Burgund gelegenen Morvan Nationalpark, in der sie vor Jahren ihre Kindheit verbrachte. Die für das Burgund typischen Weinberge sucht man hier freilich vergebens, rauer ist die Landschaft und die Bauern leben von Viehzucht.
Als Alex feststellt, dass ihr Onkel gar nicht krank ist, sondern sich gerade in den Ruhestand und damit auch nach Tahiti verabschiedet, platzt ihr der Kragen und sie bricht auf nach Paris, doch bald stoppt sie eine Autopanne. "Mein Leben ist nicht hier" sagt sie zu Nico, erklärt sich aber schließlich bereit über den Sommer auszuhelfen.
Während Alex die mangelnde technische Ausstattung der Praxis irritiert, hält sich die Begeisterung von Nico angesichts ihrer fehlenden praktischen Erfahrung in Grenzen. Bei Alex weicht der anfängliche Widerwille aber langsam der Begeisterung für den Reiz dieser Gegend, wenn ein halbzahmer Fuchs immer wieder beim Haus des Onkels vorbeischaut und die leuchtend gelben Wälder oder ein Wasserfall – sehr bruchstückhafte - Erinnerungen an ihre Kindheit wecken.
Gezielt, aber doch unaufdringlich stellt Kameramann Thierry Pouget der kalten und sterilen Großstadt mit in warme Farben und warmes Licht getauchten Bildern die Schönheit des ländlichen Burgunds gegenüber. Mit dieser Landschaft förmlich verwachsen wirken auch ihre Bewohner*innen, strahlen vielfach Herzlichkeit und Bodenständigkeit aus.
Mit ihrem direkten, aber ehrlichen Auftreten provoziert Alex hier aber auch Widerspruch. Vor allem den Bürgermeister, dem sie Tierquälerei gegenüber seinem Hund vorwirft, macht sie sich zum Feind und Unterschriften gegen ihre Entlassung werden gesammelt. Alex wiederum findet zunehmend Gefallen an dem Beruf, erfährt sie doch bei einer Herzmassage eines Hundes oder der schwierigen Geburt eines Kalbes hautnah, wie sie das Leben von Tieren retten kann.
Abgesehen vom Tierarztmilieu ist die Handlung von "Plötzlich aufs Land" wenig originell und das Ende ist vorhersehbar. Dennoch nimmt diese Komödie mit ihrer runden Erzählweise, dem Gespür für Witz, einem Schuss Romantik und einem perfekt gecasteten Ensemble, das von der dynamischen Noémie Schmidt angeführt wird, doch für sich ein. Auch erdige englische Blues-Songs tragen zum stimmigen und sympathischen Gesamtbild bei.
Geschickt gelingt es Julie Manoukian auch, Unterhaltung mit einem genauen und ungeschönten Blick auf die Arbeit von Tierärzten und ihre schwierige Situation in ländlichen Regionen, in denen nur schwer Nachwuchs zu finden ist, zu verbinden. Ihr Film ist sowohl Hommage an diesen Beruf als auch an das ländliche Frankreich.
Plötzlich aufs Land - Les vétos Frankreich 2020 Regie: Julie Manoukian mit: Noémie Schmidt, Clovis Cornillac, Lilou Fogli, Carole Franck, Juliane Lepoureau, Nils Othenin-Girard Länge: 92 min.
Läuft derzeit in den österreichischen und deutschen Kinos
Trailer zu "Plötzlich aufs Land - Les vétos"
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