top of page
  • AutorenbildWalter Gasperi

Persona Non Grata

Antonin Svoboda erzählt, inspiriert von der Geschichte Nicola Werdeniggs, von einer fiktiven österreichischen Skiläuferin, die im Zuge der #metoo-Bewegung 2017 Machtmissbrauch und sexuelle Gewalt im österreichischen Skisport vor allem in den 1970er Jahren publik macht.


Schon mit 15 Jahren bestritt die 1958 in eine Skifahrerfamilie geborene Nicola Spieß ihr erstes Weltcuprennen. Als 16-Jährige holte sie ihre ersten Weltcuppunkte, wurde 1975 österreichische Staatsmeisterin in der Abfahrt, 1976 vierte bei der Olympiaabfahrt in Innsbruck sowie dritte im Abfahrtsweltcup in der Saison 1975/76. Nach Studienbeginn 1977 konnte sie nicht mehr an diese Ergebnisse anschließen und beendete 1981 als erst 23-Jährige ihre Karriere.


In der Folge wurde es still um die Ex-Rennläuferin, die 1984 Erwin Werdenigg heiratete, bis sie 2017 im Zuge des Weinstein-Skandals und der #meToo Bewegung den systematischen Machtmissbrauch und die sexuelle Gewalt, die im österreichischen Skisport in den 1970er Jahren herrschten, publik machte.  


Antonin Svoboda ("Immer nie am Meer", "Spiele Leben", "Der Fall Wilhelm Reich"), der Werdenigg schon vor zehn Jahren kennengelernt hatte, nahm nach dem Outing wieder Kontakt zu ihr auf. In seinem Spielfilm interessiert sich der 55-jährige Wiener aber weniger für den Skandal als vielmehr für den Menschen dahinter. Er fokussiert auf den psychischen Folgen des Missbrauchs und zeichnet den langen Weg zur schwierigen Entscheidung damit an die Öffentlichkeit zu treten nach.


Die sportlichen Erfolge Andrea Weingartners (Gerti Drassl) – wie Nicola Werdenigg im Film heißt - spart Svoboda aus. Er lässt den Film fast 40 Jahre danach mit dem Tod des Mannes der Ex-Spitzensportlerin einsetzen. Mehr als von Trauer über den Verlust ist das Begräbnis von Vorwürfen von Andreas Eltern bestimmt, die ihrer Tochter immer noch nicht verziehen haben, dass sie Anfang der 1980er Jahre ihre Karriere abrupt beendet hat.


Die in dunkle Brauntöne getauchte Wohnung, Kleidung und Mobiliar sowie wiederholte Blicke durch Fenster erzeugen nicht nur ein Gefühl von klaustrophobischer Enge und eine miefige Atmosphäre, die an die 1960er Jahre denken lässt, sondern kehren die Beklemmung von Andrea auch nach außen. Einzig hin und wieder auftauchende Smartphones oder Laptops erinnern daran, dass der Film 2017 spielt.


Als ein Nachbar wenig später übergriffig wird, brechen die Erinnerungen an den sexuellen Missbrauch in den Schiheimen und nach Siegesfeiern in den 1970er Jahren wieder bei ihr durch. Bestärkt durch die Anklagen anderer junger Sportlerinnen wegen sexueller Übergriffe und dem Weinstein-Skandal in den USA teilt auch sie ihre qualvollen Erfahrungen einem Redakteur der Tageszeitung Der Standard mit. Die Veröffentlichung des Interviews, in dem sie immer wieder betont, dass ihr Fall kein Einzelschicksal gewesen sei, schlägt hohe Wellen und zwingt den Österreichischen Skiverband sich seiner Vergangenheit zu stellen, diese aufzuarbeiten und Präventionsmaßnahmen einzuleiten.


Parallel zur Geschichte Andreas erzählt Svoboda auch von deren Tochter (Maya Unger), die über das Outing der Mutter näherkommt, aber auch vom daraus resultierenden Zerwürfnis mit den Eltern, denen der Skisport immer über alles ging.


Herz und Motor des zwar konzentriert und feinfühlig, aber auch etwas uninspiriert inszenierten Spielfilms ist Gerti Drassl. Eindrücklich vermittelt sie mit ihrem Spiel die schweren inneren Wunden, die der Missbrauch im Jugendalter hinterlassen hat, die jahrzehntelange Verdrängung aufgrund von Schamgefühlen, aber auch die innere Befreiung, die das Reden über die damaligen Ereignisse bewirkt.


Bewegend ist vor allem das lange Interview, in dem sie dem Standard-Redakteur detailliert das System des Missbrauchs schildert. Eine spätere Diskussionsrunde im Fernsehen dient dagegen doch eher dazu, pflichtschuldig die unterschiedlichen Reaktionen auf das Outing aufzuzeigen und bewusst zu machen, welchen Staub sie damit aufwirbelte.


Ganz offen zielt "Persona Non Grata" damit auch darauf ab, anderen Frauen Mut zu machen, solche Erfahrungen nicht mehr hinzunehmen und hinunterzuschlucken, sondern auch trotz Widerständen und Anfeindungen publik zu machen, um so zu einer Beseitigung dieser Missstände beizutragen. Etwas zu sehr mag dieses Drama dieses Anliegen vor sich hertragen, bewegt aber dank Drassls Spiel und Svobodas Gespür für seine Hauptdarstellerin dennoch und setzt auch der Zivilcourage Werdeniggs ein Denkmal.  

 

 

Persona Non Grata Österreich / Italien 2024 Regie: Antonin Svoboda mit: Gerti Drassl, Maya Unger, Katja Lechthaler, Lukas Miko, Peter Mitterrutzner, Andreas Patton, Tanja Petrovsky, Gabriela Hegedüs, Krista Posch, Christoph Grissemann Länge: 92 min.


Läuft derzeit in den österreichischen Kinos. Filmkulturclub Dornbirn im Cinema Dornbirn: Mi 6.3., 18 Uhr + Do 7.3., 19.30 Uhr


Trailer zu "Persona Non Grata"



 

bottom of page