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One to One: John & Yoko

  • Autorenbild: Walter Gasperi
    Walter Gasperi
  • 29. Juni
  • 3 Min. Lesezeit
"One to One: John & Yoko": Atemloser Bilderstrom über die Zeit John Lennons und Yoko Onos im New York der frühen 1970er Jahre
"One to One: John & Yoko": Atemloser Bilderstrom über die Zeit John Lennons und Yoko Onos im New York der frühen 1970er Jahre

Kevin Macdonald und Sam Rice-Edwards zeichnen ausgehend vom einzigen abendfüllenden Solo-Konzert von John Lennon und Yoko Ono im August 1972 mit einer Fülle an Archivmaterial sowohl ein Bild der Beziehung von John Lennon und seiner Partnerin als auch der zwischen Vietnamkrieg und Protestbewegung zerrissenen USA der frühen 1970er Jahre.


Bis ins kleinste Detail haben Kevin Macdonald und sein Ko-Regisseur Sam Rice-Edwards das kleine Appartement im New Yorker Viertel Greenwich Village, in dem John Lennon und Yoko Ono nach der Auflösung der Beatles von November 1971 bis Februar 1973 lebten, nachgebaut. Mehrmals schwenkt die Kamera im Laufe des Films durch dieses Appartement und rückt immer wieder den Röhrenfernseher ins Bild, denn Fernsehen war eine der Hauptbeschäftigungen des Paares während dieser Zeit.


Fernsehbilder aus dieser Zeit bestimmen so neben Aufnahmen vom Benefizkonzert, das Lennon und Yoko Ono am 30. August 1972 im New Yorker Madison Square Garden gaben, den Film. Nur am Beginn informieren Texttafeln über die Übersiedelung von London nach New York und am Ende über den Umzug von Greenwich Village in ein luxuriöses Appartement im Dakota Building in der 72. Straße.


Davon abgesehen lassen Macdonald und Rice-Edwards das Archivmaterial sprechen. Unübersehbar ist die enorme Recherchearbeit, die hier geleistet wurde, und brillant verschränkt das Regie-Duo die Konzertaufnahmen und die Fernsehbilder, denn untrennbar sind das gesellschaftspolitische Engagement des Konzerts und die zeitpolitischen Ereignisse miteinander verbunden.


Teilweise nur sekundenlange TV-Schnipsel von Werbesendungen für Cornflakes, Chevrolet oder Waschmittel, der Serie "Die Waltons" und den politischen Ereignissen vom Vietnamkrieg mit Abwurf von Napalmbomben und weinenden Vietnames:innen bis zum Gefängnisaufstand von Attica, Protestkundgebungen gegen den Krieg und Auftritten von Präsident Nixon evozieren dicht das Bild einer zerrissenen USA. Wie der Konsumgesellschaft und der heilen Welt der "Waltons" der Krieg in Vietnam gegenübersteht, so steht dem Präsidenten die protestierende Jugend gegenüber.


Ausführlich bauen Macdonald und Rice-Edwards auch Telefonmitschnitte von Lennon ein, in denen beispielsweise Jerry Rubin und David Peel versuchen, das Paar zu politischem Engagement zu bewegen. Das Konzert resultierte aber letztlich aus einem erschütternden Bericht über die katastrophalen Zustände, unter denen Kinder mit schwerer Behinderung in der Willowbrook State School lebten. Diesen Kindern kamen auch die Einnahmen des Konzertes zugute.


Eingeschnitten in die Bilder zum politischen Hintergrund sind – insgesamt eher kurz gehaltene – Konzertaufnahmen, in denen das Charisma Lennons spürbar wird. Da reißt er mit "Power to the People" gleich zum Einstieg das Publikum mit, erinnert mit "Mother" an seine Mutter, über die er zuvor in einem Interview erzählte, und beschwört in "Imagine" zu Bildern der Kinder mit Behinderung die Hoffnung auf eine gerechte und inklusive Welt.


Gleichzeitig zeichnet "One to One: John & Yoko" auch ein Bild des titelgebenden Paares, bietet Einblick in die Pläne der US-Regierung Lennon aus den USA deportieren zu lassen ebenso wie in Onos Kampf um ihre Tochter aus erster Ehe, die ihr von ihrem Ex-Mann entzogen wurde. Eindrücklich arbeiten Macdonald / Rice-Edwards aber auch heraus, wie Lennon seine Partnerin immer wieder gegen misogyne Angriffe verteidigen musste, und streichen Onos künstlerisches und feministisches Engagement heraus.


So bestechend freilich auch die Zeitstimmung eingefangen wird, so wird man von der Fülle des Materials doch auch förmlich erschlagen. Kaum einem Moment wird hier Raum und Zeit gelassen, sondern Schlag auf Schlag geht es bei dieser atemlosen Abfolge von TV-Schnipseln. Der geplanten Abschiebung Lennons wird da auch noch die triumphale Rückkehr Charlie Chaplins, der 20 Jahre zuvor in der McCarthy-Ära wegen "unamerikanischer Umtriebe" aus den USA vertrieben wurde, gegenübergestellt und mit dem demokratischen Gouverneur von Alabama George Wallace wird an den ungebrochenen Rassismus erinnert.


Beschränkung auf weniger und intensive Auslotung einzelner Aspekte wäre hier vielleicht sinnvoller gewesen, denn Vieles verliert sich im kurzatmigen Bilderstrom. Andererseits gelingt es freilich gerade mit diesem kaleidoskopartigen Stil ein dichtes Zeitbild zu evozieren, in dem in der Zerrissenheit der USA wohl auch Parallelen zur heutigen Zeit angedeutet werden sollen und die damalige Gegenkultur und Protestbewegung auch als Vorbild für heute dienen könnte.

 

John & Yoko: One to One Großbritannien 2024 Regie: Kevin Macdonald, Sam Rice-Edwards  Dokumentarfilm mit: John Lennon, Yoko Ono, Jerry Rubin, Allen Ginsberg, A. J Weberman, John Sinclair, David Peel Länge: 101 min.

 


Läuft jetzt in den Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen und im Skino Schaan. TaSKino Feldkirch im Kino GUK: Mo 18.8. bis Fr 22.8.



Trailer zu "One to One: John & Yoko"


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