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  • AutorenbildWalter Gasperi

On the Basis of Sex (Die Berufung - Ihr Kampf für Gerechtigkeit)

Aktualisiert: 12. Mai 2019


Innerhalb kurzer Zeit kommt die 85-jährige amerikanische Juristin und Ikone der US-Frauenbewegung Ruth Bader Ginsburg zum zweiten Mal zu filmischen Ehren: Auf den Dokumentarfilm "RBG – Ein Leben für die Gerechtigkeit" folgt nun Mimi Leders Biopic, in dem Felicity Jones die junge Anwältin spielt.


Genderdebatten und die MeToo-Bewegung schlagen sich auch im Kino nieder. En Vogue sind Filme, die von der Diskriminierung von Frauen in einer Männergesellschaft und vom Kampf um Gleichberechtigung erzählen. Zahlreiche Biopics über Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen, die unermüdlich kämpfen mussten, um ihren eigenen Weg gehen zu können, kamen in den letzten Jahren ins Kino.


Um 1900 spielen die Biopics, deren Bogen sich von Marie Curie ("Marie Curie"; Marie Noëlle, 2016) über die Malerin Paula Modersohn-Becker ("Paula"; Christian Schwochow, 2016) und die Schriftstellerin und Psychoanalytikerin Lou Andreas Salomé ("Lou Andreas-Salomé"; Cordula Kablitz-Post, 2016) bis zur französischen Autorin Colette ("Colette", Wash Westmoreland, 2018) spannt.


In Björn Runges "The Wife - Die Frau des Nobelpreisträgers" (2018) nimmt Glenn Close aber auch noch im späten 20. Jahrhundert lange hin, dass sie im Schatten ihres Schriftstellergatten steht, obwohl doch sie letztlich hinter seinen Büchern steht. In „Hidden Figures“ (2016) erzählte Theodore Melfi von der Rolle der Frauen beim US-Raumfahrtprogramm der 1960er Jahre. Sarah Gavron erinnerte in „Suffragette – Taten statt Worte“ (2015) ebenso an den Kampf ums Wahlrecht in England am Beginn des 20. Jahrhunderts wie Petra Volpe in "Die göttliche Ordnung" (2017) an den der Schweizer Frauen Anfang der 1970er Jahre.


Das Leben der amerikanischen Juristin und Kämpferin für Gleichberechtigung Ruth Bader Ginsburg oder - wie sie ihre Fans nennen - "The Notorious RBG" zeichneten Betsy West und Julie Cohen erst kürzlich im Dokumentarfilm "RBG" mit einer Fülle von Archivmaterial und Interviews mit Wegbegleitern, Familienangehörigen und der Porträtierten selbst nach.


Wie eine Blaupause für Mimi Leders Biopic, zu dem Ginsburgs Neffe Daniel Stiepleman das Drehbuch schrieb, wirkt "RBG" dabei vor allem in der Schilderung des Studiums und des Familienlebens. Die dort angesprochene Diskriminierung an der renommierten Harvard Universität der 1950er Jahren wird ebenso fiktionalisiert wie der Umstand, dass fürs Kochen vor allem ihr Mann zuständig war, während die Opernleidenschaft durch Plakate in ihrem Haus zum Ausdruck kommt.


Plakativ, aber durchaus wirkungsvoll macht Mimi Leder die Geschlechterverhältnisse an der Uni deutlich, wenn Bader Ginsberg allein zwischen einer großen Anzahl von Männern den Hörsaal zur ersten Vorlesung betritt und hören muss, dass die wenigen Studentinnen doch nur anderen Männern einen Studienplatz wegnehmen.


Felicity Jones spielt diese Juristin zwar überzeugend, doch zwangsläufig kann sie nie die Ausstrahlung der echten Bader Ginsburg erreichen. Bewusst macht das eine Szene am Ende des Films, wenn die 85-Jährige selbst im Bild erscheint und die Treppe zum Obersten Gerichtshof hinaufsteigt.


Geglättet und geschönt wirkt diese Filmheldin. So wirklich zumuten will Leder dem Publikum weder, dass Bader Ginsburg nur 1,55 Meter groß ist noch deren unverwechselbare große Brille. Nicht nur eine brillante Juristin, sondern auch eine attraktive, immer perfekt gekleidete Frau muss sie hier sein.


Beträchtlichen Raum gesteht Leder, die sich auf die späten 1950er Jahre und einen zentralen Fall im Jahre 1970 konzentriert, auch dem Ehe- und Familienleben zu – der Human Touch soll nicht zu kurz kommen und für ein emotionales Gegengewicht zur juristischen Arbeit sorgen. Hier können auch schon umgekehrte Geschlechterrollen vorexerziert werden, wenn ihr als Steueranwalt arbeitender Mann (Armie Hammer) mit Schürze am Küchenherd steht oder sich um die Kinder kümmert, aber mit der 1970 sich im Teenageralter befindenden Tochter Jane wird später auch ein gesellschaftlicher Umbruch angedeutet werden.


Plastisch arbeitet Leder auch das Verhältnis von gesellschaftlicher Stimmung und Recht heraus, zeigt auf, dass ein gesellschaftliches Klima nötig ist, damit sich Gesetze ändern können. Die Diskriminierung macht der Film deutlich, wenn Bader Ginsburg in den späten 1950er Jahren noch von allen New Yorker Anwaltskanzleien abgelehnt wird und eine Stelle als Professorin an verschiedenen Universitäten annehmen muss.


Mit einem scharfen Schnitt springt der Film ins Jahr 1970 und macht sogleich mit dem Blick auf Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg bewusst, dass sich die Zeiten geändert haben – doch immer noch gibt es zahlreiche Gesetze, die Frauen diskriminieren. Ausgerechnet ein Fall, bei dem ein Mann benachteiligt wurde, bietet Bader Ginsburg aber die Gelegenheit gegen gerichtliche Entscheidungen, die – wie der Originaltitel des Films lautet - "on the basis of sex" beruhen, zu prozessieren.


So entwickelt sich im zweiten Teil ein klassisches Gerichtsdrama, bei dem Einblick in die Vorbereitungen beider Parteien geboten wird, Bader Ginsburg Rückschläge hinnehmen muss und auch beim Prozess die Lage schon aussichtslos scheint, bis sie ein fulminantes Schlussplädoyer hält.


Routiniert, aber auch sehr glatt ist das inszeniert, vermeidet einerseits in der Konzentration auf wenige Ereignisse ein Abgleiten ins anekdotische Abhaken von Lebensstationen, bleibt andererseits aber auch im Historischen stecken. Denn während der Dokumentarfilm "RBG – Ein Leben für die Gerechtigkeit" den Bogen von der Vergangenheit bis zur Gegenwart spannte und auch den Rechtsruck der US-Gesellschaft in den letzten Jahren sichtbar machte, fehlt diesem Spielfilm dieser Gegenwartsbezug.


Immerhin gelingt es Leder mit ihrem zwar ganz vom Dialog bestimmten, aber spannenden Biopic auch ein größeres Publikum daran zu erinnern, wie mühsam der Kampf um Gleichberechtigung war und dieser ebenso kämpferischen wie brillanten Juristin ein Denkmal zu setzen.

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