Mit starker Bild- und Tonsprache versetzt Gregor Schmidinger den Zuschauer in das Coming-of-Age des unter Angstattacken leidenden 17-jährigen Jakob. – Ein vielversprechendes Debüt, das auch durch einen starken Simon Frühwirth in der Hauptrolle überzeugt.
Mitten hinein in die Erfahrungswelt und Psyche seines 17-jährigen Protagonisten wirft Gregor Schmidinger den Zuschauer: Auf einen Lauf durch grüne Wälder lässt er einen Sprung ins Meer folgen, ehe ein Schnitt die Szene als Traum entlarvt und Jakob in seinem Bett erwacht. Immer in Halbdunkel ist diese Wohnung getaucht, in der der junge Mann, von dem man erst später erfährt, dass er vor kurzem Matura gemacht hat und demnächst ein Studium der Kosmologie beginnen will, mit seinem Vater (Josef Hader) und seinem durch einen Schlaganfall sprachlich stark beeinträchtigten Großvater lebt.
Die Farben sind „Nevrland“ weitgehend ausgetrieben, der Fluchtbewegung in grüne Naturlandschaften, die für Jakob wie Peter Pans Neverland erscheinen, steht das Beige und Braun der Alltagsszenen gegenüber. Weiße Fliesen und weiße Arbeitskleidung bestimmen auch den Schlachthof, in den der Vater Jakob für einen Ferienjob mitnimmt.
Doch bald bricht hier Jakob hier zusammen, physisch scheint ihm nichts zu fehlen, aber eine Angststörung wird diagnostiziert. Erinnerungen und Traummomente brechen nun immer wieder in die Realität herein. Ob diese mit dem Umstand, dass die Mutter die Familie schon vor Jahren verlassen hat oder mit seiner nur heimlich und zunächst nur über Internet-Chats ausgelebten Homosexualität zusammenhängt, bleibt offen.
Eindringlich vermittelt Schmidinger, der in der Jugend selbst an Angststörungen litt und hier autobiographische Erfahrungen verarbeitet, aber mit schneller Abfolge von Bildfetzen, starker Farb- und Lichtdramaturgie sowie großartigem Sounddesign die psychische Verfassung und zunehmende Destabilisierung seines Protagonisten. Auch ein zersplitterter Spiegel und Handybilder mit Vervielfachung Jakobs visualisieren seine Zerrissenheit und Identitätskrise und –suche.
In jeder Szene ist der von Simon Frühwirth intensiv gespielte Jakob präsent, konsequent aus seiner Perspektive wird erzählt. Erfahrbar wird so, wie Jakob die Gefühlskälte des Vaters, der sich zwar um den Sohn bemüht, aber zu Gefühlen unfähig scheint, belastet, wie ihn der Tod des Großvaters, der scheinbar seine einzige stärkere Bezugsperson war, in eine Krise stürzt.
Intensiver werden dabei zugleich die Internet-Kontakte über Homosexuellen-Seiten. Auf Chats folgen Telefonate per Skype und bald auch persönliche Kontakte zu dem neun Jahre älteren Kristjian, der auch in Wien wohnt. Der Isolation, die Jakob im Schlachthaus, aber auch in der Wohnung erfährt, versucht er mit der Suche nach körperlicher Nähe zu entkommen. An die Stelle der Distanz, durch die die in grobkörnigen Internetaufnahmen gefilmten Chats gekennzeichnet sind, treten so schließlich Detailaufnahmen der Körper, in denen die Sehnsucht Jakobs spürbar wird. Doch Kristjan weist ihn zurück.
So stark das aber auch visuell und akustisch inszeniert ist, so großartig Frühwirth spielt, so ist doch nicht zu übersehen, dass der Film gegen Ende zu sehr in die Traumwelt abtaucht, die Realitätsebene nicht mehr auszumachen ist, und Schmidinger sich in zwar beeindruckenden, aber auch selbstzweckhaften Bild- und Tonspielen verliert.
Nichtsdestotrotz zeigt dieses Debüt eine starke Begabung für filmische Gestaltung, bewegt sich weit abseits von biederem Subventionskino und geht mutig eigene Wege, die mit Spannung auf die Zukunft dieses 34-jährigen Regisseurs blicken lassen.
TaSKino Feldkirch im Kino Rio: Do 26.9., 20.30 Uhr; Fr 27.9., 22 Uhr Spielboden Dornbirn: Fr 11.10. + Sa 19.10. - jeweils 19.30 Uhr
Trailer zu "Nevrland"
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