Mother Mara
- Walter Gasperi
- 27. März
- 3 Min. Lesezeit

Mirjana Karanović zeichnet in ihrem dichten Drama ein bewegendes Porträt einer Mutter, die nach dem Tod ihres Sohnes erst in der Affäre mit einem deutlich jüngeren Bekannten des Verstorbenen wieder Halt und Lebensmut findet.
Die 1957 geborene Serbin Mirjana Karanović wurde als Schauspielerin mit Rollen in Emir Kusturicas "Papa ist auf Dienstreise" (1985), "Underground" und "Das Leben ist ein Wunder" (2004) bekannt und drückte auch Jasmila Žbanićs Berlinale-Sieger "Grbavica - Esmas Geheimnis" (2006) und Andrea Stakas Locarno-Sieger "Das Fräulein" (2007) den Stempel auf.
Andrea Staka hat nun auch Karanovićs nach "Dobra žena - A Good Wife" (2016) zweite Regiearbeit koproduziert. Der Titel "Mother Mara" macht schon deutlich, dass die erfolgreiche Belgrader Anwältin Mara sich ganz über ihre Mutterrolle definiert. Was passiert aber, wenn der 20-jährige Sohn, den sie nach der Trennung von ihrem Mann allein groß gezogen hat, überraschend stirbt?
Schon die lange statische Totale vom Begräbnis, mit der "Mother Mara" einsetzt, und der anfängliche Verzicht auf Filmmusik vermitteln die Erstarrung der Titelfigur. Langsam ziehen die Trauernden mit dem Sarg von der Leichenhalle zum Grab. Der graue Betonboden wird quasi im grauen Himmel gespiegelt, sodass die Farben die bedrückende Stimmung verstärken.
Während die Großmutter weint und laut klagt, dass doch eigentlich sie vor ihrem Enkel hätte sterben müssen, und auch Verwandte in Tränen ausbrechen, bleibt Mara auch bei der folgenden Leichenfeier, die Karanović zunächst in einer langen statischen Rückenansicht der Protagonistin filmt, gefasst, wirkt wie versteinert und kann weder über den Verstorbenen sprechen noch weinen.
Statt in ihrer modernen Designer-Villa zu trauern, fährt sie am nächsten Tag mit ihrem großen SUV sofort wieder zur Arbeit. Nur darin scheint sie Halt zu finden, Gefühle will sie dagegen nicht zulassen. Bewegung kommt aber in ihr Leben, als sie einen geschäftlichen Auftrag des jungen Fitnesstrainers Milan (Vučić Perović) übernehmen soll, der ein Bekannter ihres Sohnes war.
Aus der beruflichen Beziehung wird rasch eine private, denn Mara glaubt über Milan ihrem Sohn nahe sein und in dessen Leben eintauchen zu können. So besucht sie mit Milan den Club, in dem auch ihr Sohn verkehrte, gleichzeitig wird schließlich auch klar, dass Milan den Kontakt mit Mara aufgrund seiner Erfahrungen mit dem Verstorbenen suchte.
Dauer kann diese Beziehung nicht haben, doch man spürt, wenn die Kamera in den leidenschaftlichen Szenen bewegter wird, nah an den Menschen ist und auch vermehrt Musik eingesetzt wird, wie Maras emotionaler Panzer langsam zerbricht. Ziemlich ungewöhnlich ist, wie hier Schmerz über den Verlust und Sexualität verbunden werden, aber plausibel ist, wie bei Mara durch die intensive körperliche Beziehung lange verdrängte Sehnsüchte wieder durchbrechen und sie auch zu trauern lernt.
In Vučić Perović hat Karanović, die selbst intensiv und vielschichtig die Hauptrolle spielt, einen idealen Leinwandpartner gefunden. Ihrer etwa 60-jährigen Anwältin steht mit Perović ein junger Mann gegenüber, bei dem mit dem Job als Fitnesstrainer und dem Studium der Sportwissenschaften das Körperlich und das Jugendliche im Zentrum steht. Beide scheinen hier im anderen Halt zu finden, auch wenn die Entwicklung schließlich doch etwas zu schnell und zu bruchlos abläuft.
Die Serbin setzt aber nicht nur auf starke Schauspieler:innen, sondern "Mother Mara" besticht auch durch die überlegte filmische Gestaltung. Sorgfältig kadriert und ausgestattet sind die Einstellungen von Kameramann Igor Marović und geschickt nützen Karanović und Marović auch das für ein intimes Drama unübliche Cinemascope-Format. Nicht nur die Begräbnisszene kann so in einer einzigen eindrücklichen Totalen inszeniert werden, sondern mit dem breiten Bild können auch die großen Räume von Maras Villa der Enge von Milans Wohnung prägnant gegenübergestellt werden.
Sicher kombinieren Regissseurin und Kameramann aber auch distanzierte ruhige Einstellungen mit bewegten Handkameraaufnahmen, in denen die Leidenschaftlichkeit der kurzen Beziehung spürbar wird, bis Mara im Bad wie ihr Sohn zunächst untertaucht, dann aber – gewissermaßen zu neuem Leben – wieder auftaucht.
Mother Mara
Serbien / Schweiz / Slowenien / Montenegro / Bosnien-Herzegowina 2024 Regie: Mirjana Karanović
mit: Mirjana Karanović, Vučić Perović, Boris Isaković, Jasna Žalica, Jelena Ćuruvija, Ilija Maršićević Länge: 96 min.
Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen und im Skino Schaan.
Trailer zu "Mother Mara"
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