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  • AutorenbildWalter Gasperi

Meine schrecklich verwöhnte Familie


Ein millionenschwerer französischer Unternehmer möchte seinen drei arbeitsscheuen und arroganten erwachsenen Kindern eine Lektion erteilen: Die Handlung ist vorhersehbar, Figuren und Wendungen wenig ausgearbeitet, aber ein lustvoll aufspielendes Ensemble und hohes Erzähltempo sorgen doch für recht unterhaltsame 90 Minuten.


Ein Off-Erzähler führt in die High-Society und das Luxusleben von Monaco ein. Ironisch konterkariert wird der Kommentar zu idyllischer Landschaft, Geselligkeit und jugendlichem Arbeitswillen von Bildern der verbauten Küste und exzessiven Partys bis in den Morgen. Vom Blick aufs Allgemeine engt Nicolas Cuche in seiner freien Adaption der mexikanischen Komödie "Nosotros los nobles" den Fokus rasch auf die Familie Bartek ein.


Dem Vater (Gérard Jugnot), der sich aus einfachen Verhältnissen hochgearbeitet hat, stehen die drei Kinder gegenüber, die nie zu arbeiten gelernt haben. Während Stella (Camille Lou) nur ans Shoppen denkt, interessiert sich ihr übergewichtiger Bruder Philippe (Artus) vor allem für ausgiebige Partys und Sportwagen und verstört Vater Fabrice immer wieder mit völlig hirnrissigen Geschäftsideen. Alexandre (Louka Méliava) schließlich ist hinter allen Frauen her und fliegt mit seiner Faulheit und seinen Eskapaden von jeder Universität.


Als Stella bei ihrer Geburtstagsparty auch noch erklärt, dass sie den windigen Juan Carlos heiraten will, der im Grunde nur hinter ihrem Geld her ist, und auch die beiden Söhne ein weiteres Mal einen schweren Faux pas begehen, erleidet der Vater einen Herzinfarkt. Als auch an seinem Krankenbett die Kinder nur streiten, ist für ihn klar, dass es so nicht weitergehen kann: Er täuscht Steuerhinterziehung der Firma vor und inszeniert eine Polizeirazzia, die die Familie zwingt, ohne Kreditkarten und Handys in ein halbverfallenes Haus bei Marseille zu flüchten. Hier sollen die Kinder lernen zu arbeiten, während der Vater das Haus restaurieren will.


So muss Stella einen Job als Bedienung in einem Landgasthof annehmen, während Philippe sein Glück mit einem Fahrradtaxi versucht. Vorhersehbar ist sowohl, dass die Täuschung, die hinter dieser pädagogischen Maßnahme steckt, früher oder später auffliegen muss, als auch, dass sich trotz dieses Tricks des Vaters schließlich alles in Wohlgefallen auflösen wird.


Cuche inszeniert mit Schwung und Esprit und kann auch auf ein lustvoll aufspielendes Ensemble vertrauen. Andererseits ist die Ausgangssituation von arbeitsscheuen Kindern, denen man eine Lektion fürs Leben erteilen muss, doch ziemlich abgegriffen. Herrlich macht sich Cuche zwar über die Arroganz der High-Society lustig, die ihre Angestellten teilweise wie den letzten Dreck behandelt und völlig absurde Gehalts- und Jobvorstellungen hat, aber das Ganze wird doch auch sehr holzschnittartig präsentiert.


Mehr Typ als Charakter ist hier nicht nur Stellas schmieriger Lover, sondern auch der Vater, der noch unter dem Verlust der vor 15 Jahren verstorbenen Gattin leidet und nie Zeit für die Kinder hatte. Mit grobem Strich werden auch die drei Kinder gezeichnet, mit denen unterschiedliche Verwerfungen allzu großen Reichtums präsentiert werden sollen. Und gleichzeitig wird mit dem verfallenden Landhaus in unberührter Natur das einfache Leben dem Luxus in Monaco gegenübergestellt.


So wie in der Figuren- und Milieuzeichnung tendiert "Meine schrecklich verwöhnte Familie" auch in der Handlungsführung zu einer Hauruck-Dramaturgie, bei der man die Mechanik und Konstruktion des Drehbuchs durchgängig spürt und jede sorgfältige Ausarbeitung der Szenen oder von Wendungen auf der Strecke bleibt. Nur kurz verstört so die verwöhnten jungen Erwachsenen der Umzug in die Bruchbude und ohne viel Murren fügen sie sich auch rasch in ihre Unterschicht-Jobs. Abrupt folgen auch weitere Wendungen, die hier nicht verraten werden sollen, die aber wiederum seltsam folgenlos bleiben.


Stellt man keine hohen Ansprüche kann man sich bei dieser Komödie, die mit dem in warmes Licht und Farben getauchten, sommerlichen südfranzösischen Ambiente Urlaubsstimmung verbreitet, aufgrund des hohen Erzähltempos, gelungener Situationskomik und des blendend harmonierenden Ensembles durchaus unterhalten.


Bei genauerem Blick kann einem das Fehlen jeglicher Ecken, Kanten und Reibungen und die Art, wie leichtfertig hier von sozialen Gegensätzen und hartem Leben der Unterschicht erzählt wird, aber auch unangenehm aufstoßen. Denn das Gefälle zwischen Reich und Arm und das damit verbundene gesellschaftskritische Potential ist letztlich dem Film kein Thema. Zu sehr könnte dieses das Publikum aufrütteln oder erschüttern, sodass Cuche doch lieber auf der reichen Familie fokussiert.


Da mögen am Ende zwar sowohl die Kinder geläutert sein und auch die Schönheit des einfachen Landlebens erkennen, als auch der Vater einsehen, dass Familie wichtiger als Job ist, so sind doch im Grunde hier wieder die Reichen unter sich und alle finanziellen und sozialen Probleme fern.



Meine schrecklich verwöhnte Familie - Pourris gâtés Frankreich 2021 Regie: Nicolas Cuche mit: Gérard Jugnot, Artus, Tom Leeb, Camille Lou, Louka Méliava Länge: 96 min.


Läuft derzeit in den österreichischen und deutschen Kinos


Trailer zu "Meine schrecklich verwöhnte Familie - Pourris gâtés"



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