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  • AutorenbildWalter Gasperi

Long Shot - Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich


Eine elegante und charmante Außenministerin hier, ein arbeitsloser, ungepflegter Journalist dort. – Gegensätze sind das Schmiermittel, aus dem Komödien oft gebaut sind, selten kommen aber die Pointen so dicht wie in Jonathan Levines „Long Shot“, der auch leichthändig und lustvoll Geschlechterrollen und andere gesellschaftlich aktuelle Themen anspricht.


Sie haben im Grunde nichts gemein: Charlotte Field (Charlize Theron) ist amerikanische Außenministerin, verkehrt folglich nur in den obersten Kreisen und punktet vor allem mit Eleganz. Fred Flarsky (Seth Rogan) ist ein ungepflegter Journalist, den gerade wieder einmal eine Ermittlung in Nazi-Kreisen in Gefahr bringt. Sogar ein Hakenkreuz-Tattoo soll sich der Jude bei so einer Versammlung stechen lassen, wird gerade aber in diesem Moment enttarnt und muss flüchten.


Allein wie sich der Hinweis auf dieses Tattoo durch den Film zieht und sich dieses dabei fortwährend ändert, ist ein großartiger Einfall, der zeigt, mit wie viel Feinarbeit Jonathan Levine und seine Drehbuchautoren Liz Hannah und Dan Sterling bei „Long Shot“ arbeiteten.


Kaum zurück im Büro erfährt Fred, dass ein schmieriger Medienmogul (Andy Serkis) die kleine Zeitung übernommen hat. Nicht nur mit dem kritischen Kurs seines Blattes wird es damit vorbei sein, sondern es sollen auch gleich zwei Drittel der Belegschaft entlassen werden. Da kündigt Fred doch lieber gleich selbst.


Zufällig trifft er aber auf einer Benefizveranstaltung, zu der ihn ein Freund mitnimmt, die Außenministerin Charlotte Field, die in der Kindheit seine Nachbarin war und in die er sich damals schon verliebte. Gegen jede Vernunft stellt Field den ungepflegten Journalisten ein, um ihre Reden aufzupeppen. So jetten sie von Konferenz zu Konferenz nicht nur um die Welt, sondern kommen sich – wenig überraschend – auch näher.


Das ist einerseits eine klassische RomCom vom ungleichen Paar, das sich schließlich doch finden muss. Lustvoll und witzig spielt Levine dabei die Gegensätze aus mit hohem politischem Parkett und vornehmen Empfängen auf der einen und dem bärtigen Fred mit buntem Anorak und Cargo-Hose auf der anderen Seite.


Hoch ist die Pointendichte, sexuelle und popkulturelle Anspielungen dürfen nicht fehlen, aber leichthändig und mit viel Witz und Esprit wird auch mit der Politik abgerechnet. Eine herrliche Nebenfigur haben Levine und Hannah/Sterling beispielsweise mit dem tumben US-Präsidenten (Bob Odenkirk) geschaffen, der einst TV-Star war und nun lieber Star in Kinofilmen werden will als ein zweites Mal für die US-Präsidentschaft zu kandidieren. Gleichzeitig wird die Macht der Medien, aber auch die Krise der Printmedien über die Figur des hinterhältigen Medienmoguls angesprochen.


Mit Charlottes Programm zu einem Schutz der Erde, das alle Staaten unterzeichnen sollen, kommt aber auch der Umweltschutz ins Spiel, bei dem das Engagement der Außenministerin gleich wieder durch andere Staaten, aber auch durch mächtige Amerikaner, die ihre Wirtschaftsinteressen gefährdet sehen, eingeschränkt werden soll. Bissig zeigt Levine, wie die Wirtschaft Druck auf die Politik ausübt.


Witz entwickelt „Long Shot“ dabei auch, weil Charlottes Bemühen um Kompromisse und ihre Kontrolliertheit Freds Entschlossenheit und Emotionalität gegenüberstehen. Entschieden gegen eine Verwässerung des Umweltprogramms der Ministerin, die auch schon die Kampagne für ihre Wahl zur ersten US-Präsidentin startet, ist er, wird aber aus Liebe zu Charlotte doch auch Kompromisse eingeben, während sie sich überlegen muss, ob ihr Ehrlichkeit und Integrität oder Karriere wichtiger sind.


Bestens harmonieren Charlize Theron und Seth Rogan, die auch von Therons beiden Assistenten, Rogans Freud oder der Karikatur eines kanadischen Premierministers als ideal besetzte Sidekicks großartig unterstützt werden. Im Zentrum steht aber das ungleiche Duo, das sich lustvoll die Bälle zuspielt, mit Dialogwitz mitreißt und mit einer hinreißenden Tanzszene zu „It Must Have Been Love“ für Romantik sorgt.


Dass mit letzterer explizit „Pretty Woman“ zitiert wird, ist freilich kein Zufall, denn die sonst in solchen RomComs üblichen Geschlechterrollen werden hier konsequent auf den Kopf stellt. Hier ist nämlich für einmal nicht der Mann, sondern die Frau erfolgreich und dominant, während er kein Problem damit hat im Hintergrund zu bleiben und seiner Frau zuzuarbeiten.


Über die sehr unterhaltsame Komödie hinaus, wird „Long Shot“ somit auch zur Utopie, die nicht nur veränderte Geschlechterrollen mit einem „First Mister“ an der Seite einer Präsidentin schildert, sondern das damit auch in der Realität möglich erscheinen lässt.


Läuft derzeit in den Kinos


Trailer zu "Long Shot - Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich"


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