Jede Duftnuance riecht die Parfumeurin Anne, reduziert aber auch Menschen und die Welt auf den Geruch, bis sie dem Chauffeur Guillaume begegnet. – Die Fokussierung auf der Welt der Gerüche und das hinreißende Zusammenspiel von Emmanuelle Devos und Grégory Montel machen Grégory Magnes sanfte Komödie zu einem Vergnügen.
Über alles geht dem geschiedenen Chauffeur Guillaume (Grégory Montel) seine zehnjährige Tochter Lea, doch solange er keine größere Wohnung hat, darf er sie nur alle zwei Wochen für einen Tag bei seiner Ex-Frau abholen. Jetzt droht er auch noch wegen Geschwindigkeitsübertretungen seinen Job zu verlieren, doch weil sein Chef keinen Fahrer für die kapriziöse Parfumeurin Anne (Emmanuelle Devos) hat, für die „Danke“ und „Bitte“ Fremdwörter sind, bekommt er doch noch einen Auftrag.
Ein klassisches Odd Couple schafft Grégory Magne mit der arroganten Dame mit ihren Spleens und dem einfachen, leicht chaotischen Chauffeur. Nicht nur fahren muss Guillaume sie, sondern auch ihre Koffer schleppen und im Hotel die Bettwäsche gegen ihre eigene mitgebrachte tauschen, da sie den Geruch der vorgefundenen nicht erträgt. Statt im Hotelrestaurant speist sie auch lieber im Zimmer, um den diversen Gerüchen und billigen Parfums auszuweichen. Es versteht sich auch, dass Guillaume weder bei der Arbeit noch davor rauchen darf.
Doch seit Anne vor einigen Jahren vorübergehend ihren Geruchssinn verlor, ist sie für die Parfumindustrie ein rotes Tuch. Mit diversen anderen Jobs, bei denen ihr Geruchssinn gefragt ist, muss sie sich so durchschlagen. Das reicht von der Bestimmung des Geruchs einer Höhle mit prähistorischen Malereien, um diesen eins zu eins in dem für Touristen gebauten Duplikat nachzustellen, bis zur Kreation eines Dufts, um den Gestank einer Fabrik oder auch von schlecht riechendem Leder zu übertünchen.
Völlig fremd ist Guillaume diese Welt zunächst, doch langsam verfeinert er durch den Kontakt mit Anne seinen Geruchssinn und taucht in diese für ihn neue Welt ein. Anne wiederum öffnet sich langsam ihm und ihrer Umwelt, wird zugänglicher und gewinnt auch das Selbstvertrauen zurück, das sie einst nach ihrem Geruchsverlust verlor. Und selbstverständlich kommen sich die beiden einsamen Seelen auch persönlich näher und entwickeln Sympathie füreinander, helfen sich gegenseitig. Sie gibt ihm Tipps für den Umgang mit seiner Tochter, er unterstützt sie, als sie wiederum den Geruchssinn verliert.
Doch nicht nur Guillaumes Geruchssinn wird sensibilisiert, sondern mit den vielen Gerüchen auch der des Publikums, das angeregt wird, nicht nur mit Augen und Ohren, sondern auch mit der Nase die Welt wahrzunehmen und stärker auf seinen Geruchssinn zu achten.
Darüber hinaus bietet „Les Parfums“ nicht viel Neues, aber die Zurückhaltung und Feinfühligkeit, mit der Magne inszeniert, nimmt doch rasch für diesen Film ein. Leise bleibt der Erzählton und auch die langsam aufkommende Sympathie zwischen Anne und Guillaume wird nicht forciert. Magne inszeniert mit unauffälliger Eleganz, weiß Settings wie herbstliche Weinberge oder die qualmende Fabrik in Szene zu setzen und lässt seinen beiden Hauptdarsteller*innen viel Raum, um ihren Figuren Profil zu verleihen.
Einen trefflichen Gegensatz bilden hier Emmanuelle Devos und Grégory Mantel. Sie sind der Motor der Handlung und, weil sie blendend harmonieren, die anfängliche Distanz und Ablehnung und langsame Sympathie nachvollziehbar machen, ist es ein Vergnügen ihnen 100 Minuten zuzuschauen.
Les Parfums (Parfum des Lebens) Frankreich 2019, Regie: Grégory Magne, mit: Emmanuelle Devos, Gregory Montel, Gustave Kervern, Sergi López, Länge: 100 min.
Läuft derzeit im Kinok St. Gallen
Trailer zu "Les Parfums - Parfum des Lebens"
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