Genüsslich und mit viel Einfallsreichtum macht sich Bruno Podalydès in seiner Komödie über zunehmende Digitalisierung und moderne Arbeitswelt lustig: Ein leichthändiges, an die Filme Jacques Tatis erinnerndes Kinovergnügen.
Schlechte Karten hat Alexandre (Denis Podalydès) bei seinem Bankbetreuer, denn er hat keinen Job und seine Frau hat seinen Zugriff auf das Gemeinschaftskonto gesperrt, da er eine Affäre mit einer anderen hatte. Zudem ist die Gattin momentan nicht greifbar, da sie als Mitglied einer U-Boot-Besatzung im wahrsten Sinne des Wortes untergetaucht ist.
Nun aber soll es zumindest beruflich für Alexandre aufwärts gehen, hat er doch im Start-up-Unternehmen "The Box" ein Bewerbungsgespräch. Mehr an eine Entspannungsoase lassen dort die Räumlichkeiten mit Tischtennistisch, Liegestühlen und Bonbonglas denken, beim Gespräch mit dem jungen Chef versteht der 50-Jährige aber nur Bahnhof, wenn von 24/7, CPO (Chief Procurement Officer) und Ähnlichem die Rede ist. Den Job bekommt er dennoch, merkt aber bald, dass das lockere Ambiente Fassade ist und beinharter Einsatz und Erfolge gefordert werden.
Verschweigen muss Alexandre so auch, dass er einen etwa dreijährigen Sohn und eine Tochter im Babyalter hat, denn um immer verfügbar zu sein, dürfen Mitarbeiter*innen von "The Box" keine Kinder haben. Für deren Betreuung findet Alexandre im Lebenskünstler Arcimboldo (Bruno Podalydès), der sich mit diversen Gelegenheitsjobs durchschlägt, einen Freund. Nicht nur als Fahrer arbeitet er, sondern auch als Vertreter von Aktivisten bei Demonstrationen oder von Nachtwächtern, oder er sammelt abends Drohnen ein, die als Briefboten fungieren, und retourniert sie am nächsten Morgen aufgeladen.
Alexandre wiederum soll mit seiner Chefin Séverine (Sandrine Kiberlain), die immer wieder Probleme mit ihrem selbstfahrenden Luxuswagen hat, ein gewinnträchtiges Projekt in seiner Geburtsstadt aufziehen. Bald ist die Idee eines ziemlich abstrusen Turniers namens "Games of Drones" geboren, bei dem Drohnen gegeneinander kämpfen sollen.
Vor allem im ersten Drittel sprüht Bruno Podalydès Komödie nur so vor Einfallsreichtum. An Jacques Tatis "Playtime" erinnert der Detailreichtum, mit dem hier genüsslich die Sprache und die Abkürzungen in Managerkreisen sowie die Tücken der modernen digitalen Technik aufs Korn genommen werden. Da lässt sich Séverines Wagen bald nicht mehr öffnen, dann fährt es aus eigenem Antrieb in die Waschstraße, auch Videokonferenzen offenbaren ihre Tücken und stets müssen freilich die Kinder geheim gehalten werden.
Am Rande mögen diese Kinder bleiben, mit dem Titel "Les deux Alfred" stellt sie Podalydés aber andererseits ins Zentrum, bezieht sich dieser doch auf den Namen der beiden Plüschäffchen von Alexandres Sohn. Durchaus mit Biss werden permanente Selbstoptimierung und Verfügbarkeit am Arbeitsplatz kritisiert und – ganz unzeitgemäß – der Wert der Familie und der Kinder betont. Deutlich wird dabei am Ende auch, zu welcher Heuchelei und zu welchem Doppelspiel, aber auch zu welcher psychischen Belastung die Forderung des Arbeitgebers "No Kids" führt.
Der verschwurbelten digitalen Welt, in der es keine persönlichen Beziehungen mehr gibt, stellt Podalydès in seiner leichthändigen Komödie die persönlichen Begegnungen gegenüber, wenn Arcimboldo rasch Feuer für Alexandres scheinbar so schroffe Chefin fängt oder wenn sich Alexandre immer wieder liebevoll um seine Kinder kümmert.
Wesentlich zum unbeschwerten Vergnügen trägt aber auch das mit sichtlichem Vergnügen spielende und bestens harmonierende Ensemble bei. Da überzeugt Denis Podalydès, der ältere Bruder des Regisseurs, ebenso als mit der digitalen Welt nicht vertrauter, zwischen Job und Kindern zerrissener Vater wie Regisseur Bruno Podalydès als immer gelassener, in der Jobsuche erfindungsreicher Arcimboldo. Und großartig wie fast immer ist in dieser charmanten, herrlich satirischen Komödie auch Sandrine Kiberlain als zunächst schroffe und strenge Chefin, die zunehmend auftaut und menschliche Seiten an den Tag legt.
Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen
Trailer zu "Les deux Alfred - French Tech"
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