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  • AutorenbildWalter Gasperi

Les apparences - Ein Wiener Seitensprung


Die Ehe eines angesehenen, in Wien lebenden französischen Ehepaares kommt in eine schwere Krise, als die Frau entdeckt, dass der Mann eine Affäre hat. – Marc Fitoussi inszeniert kein Ehedrama, sondern einen wendungsreichen Thriller, der an Hitchcock erinnert, aber an einem allzu konstruierten Drehbuch krankt.


Mit einer Kamerafahrt entlang der Fassaden der Wiener Ringstraße und der Staatsoper beginnt Marc Fitoussis freie und von Stockholm nach Wien verlegte Verfilmung von Karin Alvtegens 2003 erschienenem Roman "Betrayal – Verrat". Ins Spiel gebracht wird damit schon das Verhältnis von schönem Schein – oder titelgebender Erscheinung – und dem was dahinter steckt. Denn auch für Eve Monlibert (Karin Viard), die die Bibliothek im französischen Kulturzentrum leitet, und ihren Mann Henri (Benjamin Biolay), der gefeierter Dirigent des Wiener Konzerthauses ist, ist der äußere Schein wichtig.


Eine heile Welt präsentiert man beim Abendessen mit Freunden und gleichzeitig sind Affären und zerbrochene Ehen Abwesender ein beliebtes Gesprächsthema. Groß wird auch der Geburtstag gefeiert und die Stimmung einer von schnellen Dialogen bestimmten Gesellschaftskomödie setzt sich hier fort. Doch schon wenn Eve bei dieser Feier bei der Suche ihres Mannes die breite Treppe hinaufsteigt, baut Fitoussi mit Musik und Kamera Thrillerspannung im Stile Hitchcocks auf.


Dass Henri heimlich telefoniert, verstärkt ihren Argwohn und, als sie die Anrufe und Nachrichten auf seinem Handy durchsucht, entdeckt sie, dass er ein Verhältnis mit der Lehrerin ihres Sohnes hat. Statt Henri aber mit ihrem Verdacht zu konfrontieren, sucht sie seine Geliebte auf, deutet an, dass sie von der Affäre weiß, und will sich gleichzeitig rächen, indem sie sich mit einem jungen Wiener, den sie in einer Bar kennengelernt hat, eine Nacht in einer Pension verbringt.


Doch nun lässt sie diese Zufallsbekanntschaft, deren Fußfessel schon auf eine kriminelle Vergangenheit verweist, nicht mehr in Ruhe und stalkt sie. Gleichzeitig versucht sie aber auch die Lehrerin mittels Kenntnissen über deren Vergangenheit bloßzustellen.


So wendungsreich "Les apparences" auch ist, so schmal ist doch der Grat zwischen großartig konstruiert und unglaubwürdig zusammengeflickt. Bei diesem ganz aus der Perspektive von Eve erzählten Film liegt zweifellos letzteres vor und rasch verliert "Les apparences" so jede Glaubwürdigkeit. Da mag das Thema von Schein und Sein von Eve und ihrem Verhalten über Henris Affäre bis zur verheimlichten Vergangenheit der Geliebten und des jungen Wieners auf noch so vielen Ebenen durchgespielt werden, stets spürt man die Konstruktion und hört quasi die Drehbuchseiten rascheln. Am Reißbrett entworfen wirkt diese Geschichte, nur Leben entwickelt sie nie.


Überzeugend spielt zwar Karin Viard Eve als Frau, die alles unternimmt, um ihren Ehemann nicht zu verlieren, stark ist auch Benjamin Biolays zurückhaltende Verkörperung des wortkargen Dirigenten, die spüren lässt, dass im Grunde in dieser Ehe das Feuer schon lange erloschen ist und die Affäre nur noch Ausdruck dieser gescheiterten Beziehung ist. Gegen das papierene Drehbuch kommt dieses Duo aber nicht an.


Auch Atmosphäre will hier nie aufkommen, viel zu steril und kulissenhaft wirken die Räume. Auch dass man sich ständig in der französischen Community bewegt und in dem in Wien spielenden Film fast ausschließlich Französisch gesprochen wird, überzeugt nicht.


Und auch die Donaumetropole wird hier nicht überzeugend in Szene gesetzt. Mag die Fassade der Ringstraße noch auf das Thema rekurrieren, so dienen ein Konzert im Wiener Konzerthaus, ein kurzer Wellnessaufenthalt in einem edlen Hotel, für das das Kempinski zum Kubinsky wird, Straßenmusikanten mit Mozarts "Kleine Nachtmusik" sowie eine Fiakerfahrt am Schluss einzig der Tourismuswerbung.


Les Apparences Ein Wiener Seitensprung Frankreich / Belgien 2020 Regie: Marc Fitoussi mit: Karin Viard, Benjamin Biolay, Lucas Englander, Laetitia Dosch, Pascale Arbillot, Evelyne Buyle, Martine Schambacher Länge: 108 min.



Läuft derzeit im Kinok St. Gallen


Trailer zu "Les apparences - Ein Wiener Seitensprung"



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