Leonora im Morgenlicht
- Walter Gasperi
- 21. Aug.
- 4 Min. Lesezeit

Thor Klein und Lena Vurma zeichnen in einzelnen Episoden Wendepunkte im frühen Leben der britisch-mexikanischen Malerin und Schriftstellerin Leonora Carrington (1917 – 2011) nach: Ein solide inszeniertes, aber auch kraftloses Biopic, das kaum Intensität entwickelt.
Mit der Fülle der Biopics, die in den letzten Jahren in die Kinos kamen, wurden auch nahezu vergessene Künstlerinnen wieder einem breiten Publikum bekannt gemacht. So zeichnete beispielsweise Christian Schwochoch in "Paula – Mein Leben soll ein Fest sein" (2016) das Leben der frühen Expressionistin Paula Modersohn-Becker (1876 – 1907) nach und jüngst fokussierte Charlotte Le Bon in "Niki de Saint Phalle" (2024) auf den Wurzeln des künstlerischen Schaffens der schweizerisch-französischen Bildhauerin, während Marcus O. Rosenmüller in "Münter & Kandinsky" (2024) die Expressionistin Gabriele Münter aus dem Schatten ihres übermächtigen Geliebten Wassily Kandinsky herausholte.
Lange wenig beachtet war auch die britisch-mexikanische surrealistische Malerin und Schriftstellerin Leonora Carrington (1917 – 2011). Inzwischen erzielen ihre Bilder aber Rekordpreise, wie das 2024 bei Sotheby´s in New York um 28,5 Millionen Dollar versteigerte Gemälde "Die Zerstreuungen Dagoberts" (1945) beweist.
Diesen Ruhm sparen aber Thor Klein und Lena Vurma in ihrem Biopic, das auf Elena Poniatowskas 2012 erschienenem Roman "Frau des Windes" basiert, ebenso aus wie weitgehend auch die künstlerische Tätigkeit Carringtons. Kaum einmal sieht man sie malen, ihre Gemälde kommen höchstens kurz im Hintergrund ins Bild. Das mag vielleicht an rechtlichen Gründen liegen, liegt teilweise aber wohl auch daran, dass das Regieduo ganz auf die Jahre von 1938 bis 1951 fokussiert.
Mit einer großartigen Landschaftstotale des tiefgrünen mexikanischen Urwalds setzt "Leonora im Morgenlicht" ein. Im langsamen Schwenk erfasst die Kamera von Tudur Vladimir Panduru einen roten Wagen auf der braunen Naturstraße. Lange folgt ihm die Kamera aus der Luft, bis der Film mit einem Schnitt auf Bodenhöhe springt und Leonora Carrington (Olivia Vinall) aussteigt. Sie ist unterwegs zum im Dschungel gelegenen surrealistischen Skulpturengarten Las Pozas des britischen Kunstsammlers Edward James. Diese abgelegene Region soll ihr neues künstlerisches Domizil werden.
Gegenpol zu dieser Weite stellt gewissermaßen die nahe letzte Einstellung des Films dar, in der Carrington in ihrem Atelier an der Staffelei steht, konzentriert die Farben vorbereitet, während ein Insert abläuft, dass über ihr weiteres Leben und ihre künstlerische Bedeutung informiert.
Zwischen diesen beiden Polen zeichnen Klein / Vurma das Leben Carringtons von 1938 bis 1951 nach und fokussieren dabei auf Wendepunkten im Leben der Britin. Zentrale Bedeutung stellt dabei in den 1930er Jahren ihre Beziehung zum deutschen Maler Max Ernst dar. Ihre Unabhängigkeit zeigt sie, wenn sie weder die Ehefrau des verheirateten Mannes werden will noch seine Muse, sondern nur seine Geliebte bleiben will.
Eine Pariser Cafe-Szene zeichnete die aus der britischen Upper-Class stammende Carrington als Teil der avantgardistischen Künstlerbewegung um André Berton und Salvador Dali und gibt bruchstückhaft Einblick in deren Ideen. Mit wachsender Kriegsgefahr übersiedeln Carrington und Ernst aber von Paris nach Südfrankreich.
Eindrücklich wird hier mit lichtdurchfluteter Sommerlandschaft die leidenschaftliche Beziehung der Britin und des Deutschen und ihr sich nicht um gesellschaftliche Konventionen scherendes befreites Leben beschworen. Diese Beziehung inspirierte Max Ernst auch zum titelgebenden Bild "Leonora im Morgenlicht" (1940).
Schwer erschüttert bleibt Carrington aber zurück, als Ernst als deutscher Staatsbürger von den Franzosen interniert wird. Ihre psychische Verfassung bleibt schlecht und, nachdem sie bei Kriegsausbruch nach Spanien geflohen ist, wird sie dort in eine psychiatrische Klinik eingewiesen.
Sehr bruchstückhaft und oberflächlich bleibt "Leonora im Morgenlicht" hier. Mit schockierender Deutlichkeit werden zwar die Schrecken der Behandlung mit Elektroschock gezeigt, gleichzeitig wirken diese Szenen aber auch voyeuristisch. Vor allem aber werden diese Krankenhausszenen genutzt, um Erinnerungen Carringtons an ihre Kindheit einzubauen.
Da wird sie von ihrem dominanten Vater nicht nur immer wieder scharf kritisiert, weil sie mit Pferden spricht, sondern sieht im Traum auch eine Hyäne ihren Vater zu Tode beißen. Grundgelegt werden damit die Tiere, die in Carringtons Bildern eine große Rolle spielen.
Offen lässt der Film, wie und wann der Krankenhausaufenthalt endete, denn mit einem Schnitt springen Klein / Vurma ins Mexiko des Jahres 1951, wo Carrington inzwischen mit ihrem ungarischen Mann und ihrem kleinen Sohn lebt und bald mit einer Ausstellung einen Erfolg feiern wird. Im Dschungel von Mexiko wird sie aber auch eine neue Spiritualität und eine starke Weiblichkeit entdecken, die ihr Schaffen prägen werden.
Solide ist das inszeniert, aber anstatt in die Tiefe zu dringen, beschränken sich Klein / Vurma doch darauf in episodischer Erzählweise zentrale Momente im Leben der jungen Protagonistin zu bebildern. So dient die Szene in Paris vorwiegend dazu, um ein Bild der damaligen Künstlerszene zu vermitteln, entwickelt aber keine erzählerische Kraft.
Bildkraft entwickelt "Leonora im Mondlicht" vor allem in der Auftaktszene und in den Passagen in Südfrankreich, während sonst flaue, vorwiegend in Brauntöne getauchte Bilder den Film bestimmen. Überlegte Farb- und Lichtdramaturgie, die Akzente setzen, die sich einprägen, lässt sich hier nicht erkennen.
Redlich bemühen sich auch die Schauspieler:innen, aber Olivia Vinalls Leonora Carrington bleibt letztlich zu verschlossen, gibt zu wenig von sich preis, um wirklich Interesse zu wecken und zu fesseln. Nicht wirklich gelungen ist so "Leonora im Morgenlicht", dennoch muss man Klein / Vurma hoch anrechnen, dass sie mit ihrem Biopic einem breiten Publikum eine vielfach doch immer noch unbekannte Künstlerin nahebringen und vielleicht das Interesse für deren Schaffen, das im Film – wie erwähnt – bedauerlicherweise weitgehend ausgespart bleibt, wecken.
Leonora im Morgenlicht
Deutschland / Mexiko / Großbritannien / Rumänien 2024
Regie: Thor Klein, Lena Vurma
mit: Olivia Vinall, Alexander Scheer, Ryan Gage, Luis Gerardo Méndez, Cassandra Ciangherotti, István Téglás
Länge: 103 min.
Läuft derzeit in den österreichischen und deutschen Kinos.
FKC Dornbirn im Cinema Dornbirn: Do 22.8., 19.30 Uhr TaSKino Feldkirch im Kino GUK: So 12.10. bis Do 16.10.
Trailer zu "Leonora im Morgenlicht"
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