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  • AutorenbildWalter Gasperi

Leinwandgöttin und geniale Erfinderin: Hedy Lamarr


The Conspirators (Jean Negulesco, 1944)

Durch eine Nacktszene im österreichisch-tschechischen Film «Ekstase» wurde die blutjunge Hedwig Kiesler 1933 schlagartig berühmt. Von Wien führte ihr Weg 1938 nach Hollywood, wo sie als Hedy Lamarr in rund 20 Filmen mit ihrem Sex-Appeal betörte, sich aber auch als Erfinderin betätigte und mit sechs Ehen und zahlreichen Affären für Skandale sorgte. Die Ausstellung "Lady Bluetooth" im Jüdischen Museum Wien und eine Retrospektive ihrer Filme im Filmarchiv Austria erinnern an den Hollywoodstar, deren Erfindungen lange ignoriert wurden.

Unklar ist nicht nur, ob die Tochter des Wiener Bankiers Emil Kiesler und der Konzertpianistin Gertrud 1913, 1914 oder 1915, sondern auch, ob sie am 9. September oder 9. November geboren wurde. Denn der Standesbeamte hat «IX» als Monat in ihre Geburtsurkunde eingetragen und das erst später in «XI» korrigiert.


Mit 18 Jahren spielte sie schon neben Heinz Rühmann und Hans Moser eine Hauptrolle in der Wirtschaftskrisen-Komödie «Man braucht kein Geld» (1932). Ein Jahr später sorgte sie nicht nur mit einer zehnminütigen Nacktszene in Gustav Machatýs «Ekstase» (1933) für einen Skandal, sondern mehr noch durch eine Liebesszene, bei der ihr Gesicht während eines Orgasmus gezeigt wurde.


Im gleichen Jahr heiratete sie den Wiener Waffenfabrikanten Fritz Mandl, der ihr prompt die Schauspielerei verbot. Vier Jahre hielt die Ehe mit Mandl, der zunehmend mit den Nazis Geschäfte machte, nach dem Anschluss Österreichs im März 1938 aber wegen seines jüdischen Stammbaums enteignet wurde und nach Argentinien auswanderte.


Kiesler war schon 1937 aus diesem goldenen Käfig im feudalen Landsitz und aus Österreich über Paris nach London geflohen, wo sie von Louis B. Mayer für MGM unter Vertrag genommen wurde. Der Studioboss gab ihr auch in Anlehnung an den jung verstorbenen Stummfilmstarr Barbara La Marr den Künstlernamen Hedy Lamarr.


Sie spielte an der Seite von Clark Gable («Comrade X», King Vidor, 1940), James Stewart («Come Live With Me», Clarence Brown, 1941), Spencer Tracy («Tortilla Flat», Victor Fleming, 1942) und Judy Garland («Ziegfeld Girl – Mädchen im Rampenlicht», Robert Z. Leonard), betörte aber meist mehr mit ihrem Sexappeal als mit ihrer schauspielerischen Leistung.


Verführerisch und rätselhaft wirkte sie mit ihrem dunklen Haar, ihrem vollen Mund und ihrem bleichen Teint. Am offensivsten gespielt wurde mit ihrer erotischen Ausstrahlung in Cecil B. DeMilles «Samson and Delilah» (1949), in dem sie Delilah verkörperte, die Samson um den Finger wickelt und verrät.


Mehr noch als durch ihre Filme machte Lamarr aber durch ihr Privatleben auf sich aufmerksam, über das sie ausführlich in ihrem 1966 erschienenen «freizügigen» Memoirenband berichtete, mit dem sie auch ihr Image des verführerischen Luders bereitwillig bediente, nach Erscheinen des Buches aber den Co-Autor auf Schadenersatz verklagte, da er die Fakten verdreht habe.


Sechsmal war sie verheiratet, hatte daneben zahlreiche Affären, auch mit Frauen. Die letzten Jahrzehnte bis zu ihrem Tod am 19. Januar 2000 verbrachte sie zurückgezogen in Florida, doch ihr Mythos ist ungebrochen, wie die Dokumentarfilme «Calling Hedy Lamarr» (2000) von Georg Misch, «Hedy Lamarr – Secrets of a Hollywood Star» (2005) von Donatello Dubini, Fosco Dubini und Barbara Obermaier und "Bombshell - Geniale Göttin: Die Geschichte der Hedy Lamarr" (2017) von Alexandra Dean beweisen.


Immer noch umgeben Lamarr, die Max Reinhardt «die schönste Frau Europas» nannte, Rätsel. Denn sie war eben nicht nur Schauspielerin, sondern auch Erfinderin. 1942 entwickelte sie mit dem Komponisten George Antheil, den sie bei einer Diner-Party kennengelernt hatte, eine Funkfernsteuerung für Torpedos, die durch selbsttätig wechselnde Frequenzen weitgehend störungssicher war. Diese Erfindung war aber so komplex, dass sie zunächst keine Anwendung fand.


Auch die Meinung, dass die Erfindung von Lamarr und Antheil die Grundlage moderner Nachrichtenkommunikation wie Bluetouth-Verbindungen und Mobilfunknetze bilde, ist umstritten. So sieht der Physiker Tony Rothman darin eine urban legend, denn es habe «praktisch keine Chance gegeben, dass es [das Patent von Lamarr und Antheil] funktioniere.»(1)


Trotzdem verlieh ihr die Electronic Frontier Foundation 1997 einen Preis in später Anerkennung ihrer Verdienste und Dave Hughes, ein glühender Verehrer Lamarrs, setzte durch, dass der «Tag der Erfinder» ihr zu Ehern in Deutschland, Österreich und der Schweiz an ihrem Geburtstag am 9. November gefeiert wird. – Wenn das dann auch wirklich ihr Geburtstag ist.



(1) Jörg Albrecht, Klemens Polatschek, in: Deconstructing Hedy Lamarr, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 22.5. 2006


Retrospektive im Filmarchiv Austria: 12.12. 2019 - 7.1. 2020


Die zehn besten Filmauftritte von Hedy Lamarr



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