Originell und sehr unterhaltsam: "Found-Footage"-Horror um eine US-TV-Talk-Show, die sich an Halloween 1977 dem Übersinnlichen widmet und sukzessive ins Grauen kippt.
Auf den Spuren von "Blair Witch Project" (1999) wandeln die Australier Colin und Cameron Cairnes, wenn sie wie bei diesem Horrorfilm mit angeblich authentischem Archivmaterial, in Wahrheit aber selbst inszenierten Material arbeiten. Authentizität soll dabei schon ein Off-Erzähler, der in die Geschichte einführt, erzeugen und vor allem echtes Archivmaterial, das die aufgeladene Stimmung in den USA der 1970er Jahre mit Vietnam-Debakel und Watergate-Skandal vermittelt.
Von diesem Hintergrund aus wendet sich der Film der fiktiven US-Talk-Show "Night Owls" zu. In inszeniertem Material und Standfotos, die wiederum für einen dokumentarischen Touch sorgen, skizzieren die Regie-Brüder den Aufstieg dieser Show und ihres Moderators Jack Delroy (David Dastmalchian), aber auch den ständigen Konkurrenzkampf mit der realen Johnny Carson-Show, an deren Einschaltquoten Delroy nie herankommt.
Doch nicht nur der Ruf ewiger Zweiter zu sein quält den Moderator, sondern auch die drohende Absetzung der Show aufgrund sinkender Zuschauer:innenzahlen. Bissig wird die Quotenfixiertheit kritisiert, wenn Delroy sogar seine todkranke Frau als Gast in die Show holt, um die Einschaltquoten zu steigern. Dies gelingt zwar kurzfristig, doch dann fallen die Zahlen wieder stark ab.
Eine Wende soll hier die Show an Halloween 1977 bringen, die ganz im Zeichen des Übersinnlichen stehen soll. Ein Hellseher, der mit den Toten kommunizieren kann, wird zu dieser Sendung ebenso eingeladen, wie ein einstiger Magier, der nun als Skeptiker alles Übersinnliche in Zweifel zieht, und ein von einem Dämon besessenes Mädchen sowie ihre Ärztin.
Als Found-Footage eines lange verschollenen Mitschnitts dieser Show präsentieren die Cairnes´ ihren Film. Ganz auf die Sendung und diesen einen Abend konzentriert sich so "Late Night with the Devil" und abgesehen vom Einstieg wird quasi in Echtzeit erzählt. Perfekt wird nicht nur mit Kostümen, Ausstattung und Setting, sondern auch mit den Farben die TV-Welt der 1970er Jahre evoziert.
Wie die satirische Schilderung der Quotenorientierung beim Fernsehen dabei an Sidney Lumets Mediensatire "Network" (1976) erinnert, so bietet das Spiel mit dem Übersinnlichen eine Hommage an die Horrorfilme der 1970er Jahre. Denn während die Ausstrahlung an Halloween 1977 unweigerlich an John Carpenters ein Jahr später angelaufenen Klassiker "Halloween" (1978) erinnert, wird mit dem von einem Dämon besessenen Mädchen William Friedkins "Der Exorzist" (1973) und im Finale David Cronenbergs "Scanners" (1981) zitiert. Aber auch mit dem Verweis auf das Verbiegen von Löffeln und Gabeln, mit dem der Israeli Uri Geller damals berühmt wurde, wird die Stimmung der 1970er Jahre beschworen.
Den Mockumentary-Stil halten die Cairnes´ dabei zwar nicht durch, wenn sie den im 4:3-Format gehaltenen farbigen "TV-Mitschnitt" immer wieder von schwarzweißen Behind-the-Scenes-Material während der Werbepausen unterbrechen, doch der Wirkung des Films tut dies keinen Abbruch, sondern bietet vielmehr die Möglichkeit Hintergrundinformationen einfließen zu lassen und sorgt für eine flüssige Erzählung.
Großartig spielt David Dastmalchian den Moderator, der stets im Zentrum steht. Während er in der Show versucht, immer cool und lässig zu wirken, wird in den Backstage-Szenen spürbar unter welchem Druck er steht. Gezwungen und gequält wirkt so das Lächeln dieses sinkenden TV-Stars, der an die Figur von Jerry Lewis in Martin Scorseses "The King of Comedy" erinnert.
Bestechend ist auch der Aufbau des Films, wenn nach harmlosem Beginn die Beunruhigung sukzessive gesteigert wird. Unruhe bringt dabei auch der zum Skeptiker gewechselte Magier ins Spiel, mit dem das Regie-Duo auf den realen James Randi anspielt und der die übersinnlichen Ereignisse immer wieder kritisch hinterfragt. Geschickt wird er zum Gegenspieler zunächst des Hellsehers und dann des besessenen Mädchens und dessen Ärztin aufgebaut, während Moderator Jack eine vermittelnde, aber auch zunehmend hilflose Position einnimmt.
Nachhaltig verunsichern vermag "Late Night with the Devil" insgesamt zwar kaum, bietet aber über kompakte 90 Minuten originell und leichthändig zwischen Satire und Horror pendelnde Unterhaltung, die ganz wesentlich auch von der liebevollen Beschwörung der 1970er-Jahre-TV-Welt lebt.
Late Night with the Devil Australien / Vereinigte Arabische Emirate 2023 Regie: Colin Cairnes, Cameron Cairnes mit: David Dastmalchian, Laura Gordon, Ian Bliss, Fayssal Bazzi, Ingrid Torelli, Rhys Auteri, Georgina Haig, Josh Quong Tart Länge: 92 min.
Läuft derzeit in den österreichischen und deutschen Kinos, z.B. im Cineplexx Hohenems.
Trailer zu "Late Night with the Devil"
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