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  • AutorenbildWalter Gasperi

La syndicaliste - Die Gewerkschafterin


Eine Gewerkschafterin, die sich mit ihrem Kampf gegen dubiose Machenschaften der Atomindustrie mächtige Feinde macht, wird in ihrem Haus überfallen und brutal vergewaltigt. Doch der Fall nimmt eine überraschende Wende. – Isabelle Huppert ist in der Hauptrolle gewohnt stark, doch die Regie von Jean-Paul Salomé ist unfokussiert und oberflächlich.


Jean-Paul Salomé gelang vor drei Jahren mit Isabelle Huppert in der Hauptrolle mit der Kriminalkomödie "La Daronne – Eine Frau mit berauschenden Talenten" (2020) ein beachtlicher Publikumserfolg. Nun hat er mit dem französischen Star mit der Verfilmung von Caroline-Michel Aguirres auf einer wahren Begebenheit beruhendem Roman "La syndicaliste" (2019) einen Mix aus Wirtschafts-, Politik-, Paranoia- und Verschwörungsthriller gedreht.


Nicht nur das Insert "nach wahren Begebenheiten" soll die Historizität des Geschilderten belegen, sondern auch wiederholte exakte Datumsangaben. Gleichzeitig erlaubt sich Salomé beispielsweise mit der Erfindung eines Informanten oder der Verschmelzung mehrerer Ermittler zu einem Kommissar aber auch künstlerische Freiheiten.


Klassisch ist der Aufbau, wenn vom schockierenden Überfall auf die in Frankreich lebende Irin Maureen Kearney (Isabelle Huppert) im Dezember 2012 mehrere Monate zurückgeblendet wird und die Vorgeschichte erzählt wird, ehe der Film nach etwa einer Stunde wieder zu dieser Szene zurückkehrt und nun das weitere Geschehen schildert.


In zwei Hälften zerfällt "La syndicaliste" damit aber auch, denn geht es im ersten Teil um das gewerkschaftliche Engagement Kearneys, so konzentriert sich der zweite Teil ganz auf die polizeilichen Ermittlungen, in deren Verlauf das Opfer von den Behörden zur Täterin gemacht wird, die den Überfall nur vorgetäuscht haben soll.


Hochspannend ist der Stoff und mit souveräner Zurückhaltung spielt Isabelle Huppert Maureen Kearney als engagierte Frau, die an den Ereignissen fast zerbricht, aber sich schließlich doch nicht unterkriegen lässt und unermüdlich weiter kämpft. Sie lebt ganz für ihre Arbeit, ihre Familie steht an zweiter Stelle. Schwieriger wird ihr Job als Gewerkschafterin des französischen Atomkraft-Konzerns Areva als ihre Chefin auf Betreiben der französischen Regierung entlassen und durch den Manager Luc Oursel ersetzt wird.


Dieser streicht nicht nur Weiterbildungskurse für Frauen, sondern arbeitet auch an einem geheimen Deal mit China, der in Frankreich Tausende Arbeitsplätze kosten könnte. Als Kearney diese Pläne aufdecken und verhindern will, wird sie zunehmend unter Druck gesetzt und schließlich überfallen.


So spannend der wirtschaftlich-politische Hintergrund auch ist, so bleibt Salomé doch zu sehr an der Oberfläche. Im Schnelldurchlauf der Ereignisse bekommt man kaum richtig Einblick, was hier wirklich vor sich geht.


Äußerst schwammig bleibt "La syndicaliste" so als Wirtschaftsthriller, weil sich Salomé im Kern auch gar nicht für diese Verflechtungen, sondern vor allem für die Diskriminierung der Frau in dieser Männergesellschaft interessiert. Frauen gibt es hier nach Entlassung von Kearneys Chefin kaum mehr, immer wieder muss sie sich dafür mit geschniegelten Anzugträgern auseinandersetzen. Vor allem Oursel zeigt seine Frauenfeindlichkeit deutlich und kann in einem cholerischen Anfall auch einmal einen Stuhl durch ein Sitzungszimmer schleudern.


Dieser Blick auf eine misogyne Männergesellschaft setzt sich aber auch nach dem brutalen Überfall fort. Denn bald verbeißt sich der Ermittler in Widersprüchen der Darstellung des Opfers, bis schließlich eine Anklage wegen Vortäuschung des Überfalls folgt. Auch hier trifft Kearney fast ausschließlich auf Männer, einzig eine junge Polizistin wird sich schließlich auf ihre Seite schlagen.


Während sich Salomé im ersten Teil im gehetzten Tempo verheddert, lässt er im zweiten Teil Szenen mehr Raum, sodass die Belastung Kearneys und das skandalöse Vorgehen der Ermittler plastischer und dichter herausgearbeitet werden können. Wirkliche Zweifel an der Rollenverteilung können dabei freilich kaum aufkommen, denn ziemlich eindimensional sind die Männer als Fieslinge und die Protagonistin als Sympathieträgerin gezeichnet.


Salomé ist kein Regisseur der Zwischentöne, sondern knallt seine Geschichte plakativ auf die Leinwand. Er orientiert sich unübersehbar an klassischen Polit- und Wirtschaftsthrillern wie Alan J. Pakulas "Die Unbestechlichen" oder auch Todd Haynes´ "Dark Waters", doch deren Gespür für Verdichtung von Momenten, für Ambivalenzen und intensiven Spannungsaufbau fehlt dem 63-jährigen Franzosen.


Es reicht eben nicht die Standards solcher Thriller von anonymen Anrufen über eine obligate Tiefgaragenszene und eine nächtliche Autoverfolgung bis zu Arbeitern, die vor dem Haus möglicherweise Manipulationen an der Telefonleitung vornehmen oder Abhörgeräte installieren, durchzuspielen. Im Gegensatz zu den Klassikern des Genres können diese Szenen hier nämlich nur kurzzeitig beunruhigen und schaffen es nicht eine Atmosphäre der Verunsicherung über den ganzen Film zu legen.


Vielmehr reiht Salomé in zunehmend langfädiger Erzählweise ohne jede Zuspitzung Szene an Szene. So unübersehbar auch sein Engagement ist und so schockierend auch die geschilderten Ereignisse sind, so fehlt es "La syndicaliste" für einen überzeugenden Film doch ganz entschieden an Fingerspitzengefühl und Feinschliff.



La syndicaliste – Die Gewerkschafterin Frankreich / Deutschland 2022 Regie: Jean-Paul Salomé mit: Isabelle Huppert, Marina Foïs, Yvan Attal, François-Xavier Demaison, Grégory Gadebois, Pierre Deladonchamps, Alexandra Maria Lara, Gilles Cohen Länge: 121 min.



Läuft derzeit in den Kinos, z.B im Kinok St. Gallen, Skino Schaan und im Kino GUK in Feldkirch



Trailer zu "La syndicaliste - Die Gewerkschafterin"


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