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Kokuho – The Master of Kabuki

  • Autorenbild: Walter Gasperi
    Walter Gasperi
  • vor 4 Stunden
  • 3 Min. Lesezeit
"Kokuho - The Master of Kabuki": Mitreißendes episches Kino, das in die faszinierende Welt des Kabuki-Theaters entführt
"Kokuho - The Master of Kabuki": Mitreißendes episches Kino, das in die faszinierende Welt des Kabuki-Theaters entführt

Sang-il Lee entführt in die faszinierende Welt des Kabuki-Theaters und erzählt von Freundschaft und Karriere, japanischen Traditionen und dem Preis des Ruhms: Ein bildmächtiges, mitreißendes Epos, das den Bogen über 50 Jahre spannt und mühelos fast drei Stunden fesselt.


Zumindest im Westen ist der 1974 geborene, koreanischstämmige Japaner Sang-il Lee wenig bekannt, auch wenn er 2013 mit dem Jidai-geki "The Unforgiven" ein japanisches Remake von Clint Eastwoods mit vier Oscars ausgezeichnetem Western "Erbarmungslos" (1992) drehte. Für "Kokuho – The Master of Kabuki" adaptierte Lee nun Shūichi Yoshidas 2018 erschienenen gleichnamigen Roman und schuf damit den – abgesehen von Animés – mit einem Einspielergebnis von 17,4 Milliarden Yen (ca. 95 Millionen Euro) in Japan erfolgreichsten einheimischen Film aller Zeiten. Zudem wurde "Kokuho" von Japan für den Oscar für den besten internationalen Film eingereicht und schaffte dort den Sprung auf die Shortlist.


In einem epischen Bogen spannt Lee, durch Zeitinserts strukturiert, den Bogen von 1964 bis 2014. In Nagasaiki ist der berühmte Kabuki-Schauspieler Hanjiro Hanai (Ken Watanabe) bei einem Besuch eines Yakuza-Bosses begeistert von der Schauspielkunst einer vermeintlich jungen Frau, erfährt aber, dass es sich in Wahrheit um Kikuo (Ryō Yoshizawa), den 14-jährigen Sohn des Hausherrn, handelt. Aus Angst vor einem moralischen Verfall wurde Frauen nämlich im 17. Jahrhundert verboten in Kabuki-Theatern aufzutreten. Obwohl dieses Verbot in der Meiji-Zeit (1868- 1912) aufgehoben wurde, wurden weiterhin in traditionellen Kabuki-Theatern Frauenrollen mit Männern, sogenannten Onnagata, besetzt.


Als Kikuos Vater bei einer Auseinandersetzung von Yakuza-Clans getötet wird, nimmt Hanai den Teenager als Schüler neben seinem Sohn Shunsuke (Ryūsei Yokohama) auf. So entwickelt sich nicht nur eine Freundschaft zwischen den beiden jungen Männern, sondern auch Rivalität, denn Kikuo erweist sich als der begabtere Schauspieler. Er ordnet alles seiner Karriere unter, doch Tradition ist es, dass der alte Meister seinen leiblichen Sohn zu seinem Nachfolger erklärt und auch die Herkunft aus Yakuza-Kreisen macht Kikuo zu einem Außenseiter.


Mit großem Atem erzählt Lee, spart gesellschaftliche und politische Entwicklungen, abgesehen vom Hinweis auf den Atombombenabwurf auf Nagasaki, aus und fokussiert ganz auf der Geschichte der drei Kabuki-Schauspieler und dem Theater. In langen Szenen bietet er Einblick in die faszinierende Welt dieser von der UNESCO 2005 in die repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommenen Kunstform, in der mit hochartifizieller Inszenierung und Schauspiel mit Gesang, Pantomime und Tanz - zumindest im Film - tragische Liebesgeschichten erzählt werden.


Die weiß geschminkten Gesichter der Onnagata sorgen dabei mit ihrem Kontrast zu den oft leuchtend roten Kostümen und dem tiefblauen Hintergrund für starke Bilder, die "Kokuho" zu einem Fest für die Augen machen. Gleichzeitig steigert die minimalistische Musik den gleichermaßen fremdartigen wie faszinierenden Eindruck.


Ein starker Kontrast ergibt sich aber auch durch den Gegensatz zwischen diesen stilisierten Theaterszenen und der alltäglichen Welt der Protagonisten. Geradlinig erzählt Lee hier nicht nur von der beinharten Ausbildung durch Hanai, der seine beiden Schüler nicht schont, sondern bietet auch packenden Einblick in die Rolle von Traditionen im Kabuki-Theater, wenn dem leiblichen Sohn Hanais sein Schüler Kikuo gegenübergestellt wird.


Auch dank des großartigen Schauspielertrios Ryo Yoshizawa, Ryusei Yokohama und Altstar Ken Watanabe fesselt dieses Epos über fast drei Stunden. Zu verdanken ist das auch der ambivalenten Zeichnung Kikuos, der selbst erklärt einen Pakt mit dem Teufel geschlossen zu haben, um Karriere zu machen und mit dem Ehrentitel "Kokuho" ("Nationalschatz") ausgezeichnet zu werden.


Rücksichtslos benützt er so Menschen oder lässt sie fallen, wenn sie seinen Zielen im Weg stehen. Eindrucksvoll fängt Lee dabei nicht nur die Auftritte in einem großen Theater ein, sondern auch den tiefen Fall mit Engagements in einfachen Gasthäusern, in denen die Kabuki-Darbietungen kaum Beachtung finden.


Trotz der epischen Breite fehlen dabei auch Verknappungen und Ellipsen nicht, die für Irritation sorgen. Nicht ausformuliert wird nämlich durch abrupt endende Szenen, wieso Kikuos geplante Rache an den Mördern seines Vaters scheiterte, und sowohl die Trennung von zwei Geliebten als auch die Hintergründe für einen dramatischen Moment bei einer großen Zeremonie werden ausgespart.


Nicht zuletzt ist es aber auch dieser Verzicht auf ausführliche Erklärungen, der dafür sorgt dass diese bildmächtige und kraftvolle Hommage an das Kabuki-Theater, die schließlich das menschlich fragwürdige Verhalten Kikuos mit seiner herausragenden und die Menschen begeisternden Schauspielkunst rechtfertigt, im Gedächtnis haften bleibt.



Kokuho – The Master of Kabuki

Japan 2025

Regie: Sang-il Lee

mit: Ryō Yoshizawa, Ryūsei Yokohama, Sōya Kurokawa, Ken Watanabe, Keitatsu Koshiyama

Länge: 174 min.



Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen und im Skino Schaan.



Trailer zu "Kokuho - The Master of Kabuki"



 

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