top of page
  • AutorenbildWalter Gasperi

Jean Seberg - Against All Enemies

Aktualisiert: 23. Sept. 2020


Der Australier Benedict Andrews zeichnet nicht das Leben der amerikanischen Schauspielerin Jean Seberg nach, sondern fokussiert auf den späten 1960er Jahren, in denen der Star durch sein Engagement für die Black Panther Party ins Visier des FBI geriet. Kristen Stewart brilliert in der Titelrolle, doch der Film pendelt unentschieden zwischen zu vielen Themen.


Wenn am Beginn die Schlussszene aus Otto Premingers "Saint Joan" (1957) steht, in der die von Jean Seberg gespielte französische Nationalheilige auf dem Scheiterhaufen verbrannt wird – und sich auch Seberg selbst Verbrennungen zuzog -, gibt dieser Auftakt schon die Stoßrichtung vor: Quasi als Heilige, die freilich nicht von Flammen, sondern vielmehr durch die FBI-Beschattung innerlich zerstört wurde, soll die 1938 geborene US-Schauspielerin, die durch Godards "Außer Atem" zum Gesicht der Nouvelle Vague wurde, präsentiert werden.


Mit einem Schnitt springt der Film von diesem Karrierestart als 19-Jährige ins Jahr 1968. Nur kurz verweilt Andrews in Paris, wo Seberg mit ihrem zweiten Ehemann, dem Schriftsteller Romain Gary (Yvan Attal), und ihrem kleinen Sohn lebt. Im Hintergrund berichten TV-Berichte über die Studentenunruhen, während sie nach Los Angeles aufbricht, um sich um neue Filmprojekte zu kümmern.


Schon im Flugzeug zeigt sie ihre Sympathie für die Black Panther Party und posed nach der Ankunft am Flughafen mit schwarzen Aktivist*innen mit geballter Faust für die Fotografen. Als sie die Bewegung nicht nur finanziell unterstützt, sondern auch eine Affäre mit dem afroamerikanischen Bürgerrechtsaktivisten Hakim Jamal (Anthony Mackie) beginnt, gerät sie ins Visier des FBI, das sie komplett überwachen und abzuhören beginnt. COINTELPRO hieß dieses von FBI-Chef J. Edgar Hoover entwickelte illegale Programm, bei dem zwischen 1956 und 1971 zahlreiche Privatpersonen, darunter neben Jean Seberg auch Muhammad Ali, John Lennon und Jane Fonda bespitzelt, diffamiert und terrorisiert wurden.


In Parallelmontage folgt Andrews einerseits den Wegen Sebergs, die endlich mal etwas Wichtigeres machen möchte als "nur" Filme zu drehen, und auf der anderen Seite dem fiktiven Abhörspezialisten Jack Solomon (Jack O´Connell).


Man spürt immer wieder, welches große Potential in diesem Stoff steckt, doch Andrews setzt sich im Bemühen möglichst viele Aspekte anzusprechen und die Perspektive immer wieder zu wechseln letztlich zwischen alle Stühle: Häppchen werden geboten, aber nichts wird wirklich entwickelt. Nur sehr bruchstückhaft bekommt man so Einblick in Sebergs Leben, wenn man mit Solomon, der sich über sein Opfer informieren will, eine kurze schwarzweiße Szene über ihr erstes Vorsprechen als 17-Jährige sowie die Schlussszene von "Außer Atem" sieht.


So wenig "Jean Seberg" damit als Biopic funktioniert, so wenig funktioniert dieser Film letztlich auch als Thriller. Zu uninspiriert wird die Arbeit der Anzugträger in ihren grauen Büros und die von kräftigen Farben bestimmte Welt Sebergs gegenübergestellt, als dass echte Spannung aufkommen könnte.


Wenig holt Andrews auch aus der Black-Panther Party heraus, denn viel zu diffus bleibt die Schilderung des gesellschaftlichen Hintergrunds. Mehr interessiert sich der Film für Sebergs Affäre mit Jamal, die dann aber auch wieder im Sand verläuft. Nur am Rand gestreift wird auch das Spannungsfeld zwischen ihrem Wunsch nach großen gesellschaftspolitischen Filmrollen und dem Publikum, das sie als das nette Mädchen aus dem Mittleren Westen sehen will.


Überzeugend gelingt es Andrews, unterstützt von einer starken Kristen Stewart, die mit großem Einsatz spielt, immerhin zu vermitteln, wie Seberg an der wachsenden Gewissheit bespitzelt zu werden und der Diffamierung durch das FBI langsam zerbricht. Aber auch dieser Aspekt wird wiederum durch die völlig unglaubwürdige Wandlung des Abhörspezialisten Solomon, der der Faszination Sebergs verfällt und Schuldgefühle entwickelt, verwässert. Sehr konstruiert ist hier auch die Parallelisierung von Sebergs Krise und der sich steigernden Ehekrise Solomons durch sein konsequentes Schweigen über seine Arbeit.


Da mögen Ausstattung und Kostüme auch noch so treffend gewählt und schick anzusehen sein, sie allein reichen nicht, um ein Gefühl für die Stimmung dieser bewegten Zeit zu evozieren und auch der Terror der Überwachung wird angesichts der zu wenig fokussierten und konzentrierten Inszenierung nie spürbar: Statt großes Kino zu bieten, bleibt somit ein Film der Behauptungen und Bebilderung, der nur selten wirklich Kraft und Leben entwickelt.

So wird auch erst im Nachspann in Inserts erzählt, dass Seberg Ende August 1979 im Alter von nur 40 Jahren unter immer noch ungeklärten Umständen starb: Selbstmord gilt als wahrscheinlichste Todesursache, aber auch Spekulationen, dass sie vom amerikanischen Geheimdienst ermordet wurde, halten sich.


Läuft derzeit in den Kinos


Trailer zu "Jean Seberg - Against All Enemies"



bottom of page