Panah Panahi lässt in seinem Spielfilmdebüt eine Familie durch den ländlichen Iran reisen und bietet langsam Einblick in den Grund der Fahrt. - Vor großartiger Landschaft entwickelt sich ein von Situationskomik und Menschenliebe durchzogenes Road-Movie, das leise auch Kritik am Regime übt.
Autofahrten sind zentral für das iranische Kino. Von Abbas Kiarostamis Cannes-Sieger "Der Geschmack der Kirsche" (1997) bis zu Jafar Panahis Berlinale Sieger "Taxi Teheran" (2015) spielen iranische Filme immer wieder zu großen Teilen in Autos. Auch Panahis letzter Film "Three Faces" (2018) führte im Auto aus Teheran in die ländlichen Regionen des Landes.
Unvermittelt setzt nun das Spielfilmdebüt von Jafar Panahis 1984 geborenem Sohn Panah mit einer Familie ein, die mit einem geliehenen SUV auf einer Landstraße unterwegs ist. Offen bleibt zunächst, wohin die Familie will und was der Grund der Reise ist. In langen Einstellungen lässt sich Panahi Zeit, die vier Protagonist*innen vorzustellen.
Da gibt es auf dem Rücksitz zunächst mal den hyperaktiven etwa sechsjährigen Sohn, der nie ruhig sitzen kann und immer etwas zu sagen hat. Neben ihm sitzt der Vater mit einem Bein im Gips, der sarkastische Kommentare von sich gibt. Einen traurigen Eindruck macht dagegen die vorne sitzende Mutter und stumm bleibt lange der hinter dem Steuer sitzende ältere Sohn. Dazu kommt noch der Hund Jessy im Kofferraum, den der Vater auf den Straßen aufgelesen hat.
Surrealer Witz stellt sich schon ein, wenn das Handy des kleinen Sohns klingelt, die Eltern es suchen und schließlich in seiner Unterhose finden. Doch Ernst entwickelt die Szene, wenn die Mutter dem Handy die Sim-Karte entnimmt und das Handy am Straßenrand vergräbt.
Spürbar wird hier eine Angst vor Überwachung, die sich steigert, als ihnen vermeintlich ein Auto folgt. Doch der Fahrer ist kein Polizist, sondern will sie nur darauf hinweisen, dass ihr Wagen Flüssigkeit verliert.
Von staatlicher Repression, die in der Realität Jafar Panahi mit Arbeitsverbot und Verhaftung im Juli 2022 seit Jahren zu spüren bekommt, ist nie die Rede – und doch ist die Angst in diesem scheinbar unpolitischen und leichten Familienfilm stets spürbar.
Große Komik entwickelt "Hit the Road" zwar auch bei der Begegnung mit einem Rennradfahrer oder durch den Hund, doch langsam wird auch der Grund für die Reise sichtbar. Immer wieder ist nämlich von Abschied die Rede und zunehmend wird klar, dass das Ziel der Reise die iranisch-türkische Grenze ist.
Von brauner wüstenhafter Landschaft führt so die Fahrt langsam in grünere und gebirgigere Regionen. Auch hier stellen sich mit der Suche nach einem passenden Schaffell für einen Reisenden und einem vermummten Motorradfahrer irritierende, zwischen Witz und Ernst pendelnde Szenen ein, doch im Zentrum steht immer die Familie, auf die Panahi mit viel Liebe blickt.
Keine Innenszenen gibt es, durchgängig spielt der Film on the Road und in weiter Landschaft, doch im Wechsel von klaustrophobisch engen Szenen im Auto und Totalen der großartigen Landschaft entwickelt sich ein warmherziges Familienporträt, das zunehmend auch von Bitterkeit über eine bevorstehende Trennung durchzogen ist.
Da mag der kleine Bruder noch so quirlig sein und ständig zum Lachen reizen und der Vater noch so trocken agieren, so ist der große Schmerz der Mutter dennoch stets präsent. Hintergründig kann man im Porträt dieser Familie aber auch eine Kritik am offiziellen Iran sehen, denn da trägt die Mutter zwar ein Kopftuch, aber keinen Tschador und es werden Popsongs gesungen. Der kleine Bruder schwärmt für westliche Superhelden wie "Batman" und auch der ältere Bruder legt mit seiner Bewunderung für Kubricks "2001 – A Space Odyssee" eine Vorliebe für westliche Kultur an den Tag.
So ist "Hit the Road" mit seinem Gespür für Witz, seiner Menschenliebe und seinen weiten und hellen Landschaften ein leichter und lichter Film, der gleichwohl viel über iranische Verhältnis aussagt. Wunderbar hält Panahi dabei auch die Balance zwischen Humor und Melancholie, entwickelt in einer Szene unterm nächtlichen Sternenhimmel große Poesie, spart aber schließlich auch einen schmerzlichen Verlust nicht aus und entlässt dennoch heiter und gelöst aus seinem ebenso feinfühligen wie unterhaltsamen Debüt.
Hit the Road Iran 2021 Regie: Panah Panahi mit: Pantea Panahiha, Hasan Majuni, Rayan Sarlak, Amin Simiar, Masoud Tosifyan Länge: 93 min.
Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B im Kinok St. Gallen
Trailer zu "Hit the Road"
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