Leichthändig inszeniert und blendend gespielt: Richard Linklaters auf einem wahren Fall beruhender Mix aus romantischer Komödie und Krimi um einen Fake-Profikiller, der für die Polizei Auftraggeber für Morde überführen soll, sich dabei aber in eine seiner "Klientinnen" verliebt.
Der Texaner Richard Linklater gehört zu den wandlungsfähigsten Regisseuren des Weltkinos. Berühmt machte ihn seine romantische "Before"-Trilogie ("Before Sunrise", 1995; "Before Sunset", 2004; "Before Midnight", 2013) und seinen größten Publikumserfolg landete er wohl mit der ausgeflippten Schulkomödie "School of Rock" (2003). Daneben drehte er aber auch die großartige Coming-of-Age-Geschichte "Boyhood" (2014), den Science-Fiction-Film "A Scanner Darkly" (2006), arbeitete sich mit "Me and Orson Welles" (2008) an der Filmgeschichte ab und übte in "Fast Food Nation" (2006) Kritik an den Fast Food-Ketten.
In "Hit Man – A Killer Romance" nimmt er sich nun der ziemlich unglaublichen, aber großteils wahren Geschichte Gary Johnsons (1947 – 2022) an, verlegt sie aber von Texas nach New Orleans und von den 1990er Jahren in die Gegenwart. Als Vorlage diente Linklater der 2001 im Texas Monthly erschienene Artikel "Hitman", in dem der Journalist Skip Hollandsworth die Geschichte dieses angeblichen Profikillers nachzeichnete, der in zehn Jahren mehr als 60 Menschen getötet haben soll, in Wahrheit aber für die Polizei arbeitete.
Der von Glen Powell mit viel Charme gespielte Protagonist führt selbst durch den Film und erinnert mit einer rasanten Abfolge von Filmausschnitten an das weit verbreitete Bild des Profikillers, das Linklater liebevoll dekonstruiert oder kontrastiert. Sein Gary Johnson ist nämlich ein biederer College-Professor, der auf der Basis von Texten von Nietzsche seine Student:innen zwar auffordert leidenschaftlich zu leben, selbst aber einen alten Honda Civic fährt und in seinem Haus ein ziemlich langweiliges Leben führt. Die Fütterung seiner beiden Katzen Ego (Ich) und Id (Es) und die Pflege seiner Pflanzen scheinen außerberuflich seine Hauptaktivitäten zu sein.
Er scheint dominiert vom Freudschen Über-Ich, doch ausleben kann sich der nerdige Philosophieprofessor in seinem Nebenjob für die Polizei. Sorgt er hier zunächst mit Installation von Kameras und Mikrofonen nur für die technischen Grundlagen, um Menschen, die einen Auftragskiller engagieren wollen, auf frischer Tat zu überführen, muss er bald selbst in die Rolle des Fake-Killers schlüpfen, dessen Klienten kurz nach der Geldübergabe für den Auftragsmord von der Polizei verhaftet werden.
Nicht viel traut das Team Gary zu, doch dieser steigert sich in seine Aufgabe so richtig hinein, lebt sich in ihr aus und schlüpft je nach Klient:in in unterschiedlichste Rollen. Bald trägt er so Perücke oder Bart, gibt sich mit Tätowierungen als Redneck oder tritt wie James Bond in Anzug mit Krawatte auf, spricht dann wieder mit antrainiertem russischem Akzent oder raucht Zigarre. So spielt Linklater lustvoll und charmant nicht nur mit dem Beruf der Schauspielerei, wenn Gary von einer Mitarbeiterin einmal als "Daniel Day" (Lewis) angesprochen wird, sondern wirft auch Fragen nach Sein und Schein, nach wahrer Identität und antrainiertem Rollenverhalten auf.
Aus seiner Rolle fällt Gary aber, als er die hübsche Madison (Adria Arjona), die ihren gewalttätigen und kontrollsüchtigen Mann beseitigen lassen will, überführen soll. Denn statt das Geld zu nehmen, rät er ihr zur Flucht, beginnt mit ihr eine leidenschaftliche Affäre, sieht sich aber bald mit einem realen Mord konfrontiert.
Wie er zunächst seine Klient:innen täuscht, kann er natürlich lange auch gegenüber Madison nicht seine wahre Identität preisgeben, muss andererseits aber auch bald sein Polizei-Team düpieren, um Madison zu schützen.
Wunderbar leichthändig pendelt Linklater zwischen RomCom und Neo Noir und treibt das Spiel mit Täuschungen und Lügen immer weiter. Zu einem Höhepunkt wird dabei eine Szene, in der Gary Madison verhören soll, beide aber der Polizei, die über Mikros mithört, eine große Theaterszene vorspielen.
Getragen wird diese charmante Krimikomödie von den beiden mit viel Gusto spielenden Hauptdarsteller:innen Glen Powell und Adria Arjona. Mit ihrem noch relativ geringen Bekanntheitsgrad wirken sie frisch und natürlich und harmonieren so gut, dass man das erotische Knistern zwischen ihnen förmlich spürt.
Aber Linklater beweist auch ein Gespür für die Besetzung und Zeichnung der Nebenfiguren. Großartig rundet so das diverse Polizei-Team ein Inder (Sanjay Rao), eine Afroamerikanerin (Retta) und der ungepflegte und schmierige weiße Jasper (Austin Amelio) das Ensemble ab, während die Philosophie-Vorlesungen mit Freud und Nietzsche immer wieder den Unterbau für die Aufforderung zu Ausbruch aus gewohnten Rollen und Selbstfindung durch Mut zu furchtlosem und befreitem Leben liefern.
Hit Man – A Killer Romance
USA 2023 Regie: Richard Linklater mit: Adria Arjona, Glen Powell, Austin Amelio, Mike Markoff, Molly Bernard, Retta, Sanjay Rao, Evan Holtzman Länge: 116 min.
Läuft derzeit in den deutschen und österreichischen Kinos und ab 15.8. in den Schweizer Kinos
Trailer zu "Hit Man - A Killer Romance"
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