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  • AutorenbildWalter Gasperi

Haute Couture - Die Schönheit der Geste


Chef-Schneiderin von Dior nimmt junge Frau aus prekären Verhältnissen unter ihre Fittiche. – Flüssig erzähltes und mit Nathalie Baye und Lyna Khoudri stark besetztes, aber auch überkonstruiertes Feelgood-Movie, in dem sich die zahlreichen markanten Gegensätze schließlich in Wohlgefallen auflösen.


Um 6.30 Uhr geht der Wecker ab, der erste Griff geht zur Schokolade auf dem Nachtkästchen und auf der Tonspur erzählt ein Chanson vom Leben durch den Fernseher: Keine zwei Minuten benötigt Sylvie Ohayon, um ein Bild vom unglücklichen Leben Esthers (Nathalie Baye) zu zeichnen. Ganz für ihren Beruf als Chef-Schneiderin bei Dior lebt sie, doch reden kann sie nur mit ihren Rosen, ist vereinsamt, hat kein Leben außerhalb des Berufs und lässt jede Lebensfreude vermissen.


Gegenpol dazu ist die junge Jade (Lyna Khoudri), die noch nicht weiß, was sie in ihrem Leben will, unter dem Zusammenleben mit einer depressiven Mutter in prekären Verhältnissen in einer Pariser Vorstadt leidet, aber vor Vitalität sprüht und mit ihrer arabischstämmigen Freundin Souad (Soumaye Bocoum) die Tage genießt.


Mit Parallelmontage stellt Ohayon die gegensätzlichen Frauen vor, der Diebstahl von Esthers Handtasche führt sie erstmals kurz zusammen, zu einem zweiten Kontakt kommt es, als Jade wenig später die Tasche zurückgibt. Esther beschimpft die junge Frau zuerst, lädt sie aber dann zum Essen ein und bietet ihr auch eine Stelle als Praktikantin in der Schneiderei von Dior an.


Wie Ohayon mit der vor der Pensionierung stehenden Esther und der jungen Jade zwei Generationen aufeinandertreffen lässt, so auch mit der Modewelt von Dior und den Lebensverhältnissen von Jade zwei gegensätzliche soziale Schichten. Vorhersehbar ist, dass es mehrfach zu Konflikten zwischen der verbitterten Esther und Jade kommen wird, dass sie Jade aber immer wieder in den Mode-Beruf zurückholen und sich schließlich alles in Wohlgefallen auflösen wird.


Wie Ohayon in diesem fast reinen Frauenfilm einerseits eine Pygmalion-Geschichte von der Kultivierung Jades erzählt, die Pünktlichkeit, Genauigkeit und Verlässlichkeit lernen muss, so geht es andererseits natürlich auch um die zweite Geburt Esthers unter dem Einfluss ihrer lebensfrohen Assistentin. Angedeutet werden zwar die harten Arbeitsbedingungen in der Modebranche, wenn Jade auch nach offiziellem Arbeitsschluss oder am Samstag bereitstehen muss, doch kritisiert werden diese nicht, erscheinen vielmehr als nötiges Übel, um Schönes zu schaffen.


Das ist zwar flüssig und rund erzählt, arbeitet geschickt mit dem Wechsel von Raffungen durch Montage und dann wieder langsameren und ausführlicheren Szenen, doch insgesamt ist der soziale Aspekt – wie meist bei solchen Feelgood-Movies – doch deutlich zu weichgespült und auch die Überkonstruktion ist nicht zu übersehen. Denn da gibt es im Stil des klassischen Märchens in der Modeabteilung auch eine böse Hexe, die Jade mobbt, auch eine Liebesgeschichte muss sich entwickeln und hinter der Verbitterung von Esther wird ein Konflikt mit ihrer Tochter sichtbar.


Nicht genug damit muss auch die depressive Mutter Jades schließlich eine Wandlung durchmachen. Dazu kommt mit dieser streng katholischen Mutter, der moslemischen Souad und dem Aberglauben in der säkularen Modewelt auch noch ein Plädoyer für ein tolerantes Zusammenleben der verschiedenen Religionen. Und mit einer Transsexuellen geht es schließlich auch noch um Toleranz und Harmonie über die klassischen Gendergrenzen hinaus.


Das ist durchaus geschmackvoll gefilmt mit dem in Braun- und Beigetöne und in warmes Licht getauchten Modeatelier auf der einen Seite, das in treffendem Kontrast zu Pariser Alltag und Jades Lebenswelt steht, aber einfach so viel des Guten, dass nichts wirklich ausgelotet wird, der padägogische Gestus aber unübersehbar ist.


Gerne sieht man zwar der wunderbaren Nathalie Baye und Lyna Khoudri zu und bestens harmonieren sie, doch zu sehr löst sich alles in Wohlgefallen auf. Zu offensichtlich ruft Ohayon dem Publikum ständig zu, tolerant und nett zueinander zu sein. Sehr hausbacken verhandelt sie die Themen Leben und Beruf und schließlich den Vorrang (familiärer) Beziehungen vor dem Beruf fürs Lebensglück, vor allem aber verharmlost sie in diesem weichgespülten Märchen real existierende gesellschaftliche Gegensätze und träumt zu simpel vom Aufstieg aus der Unterschicht in die mondäne Modewelt, die hier verklärt wird.


Haute Couture – Die Schönheit der Geste Frankreich 2021 Regie: Sylvie Ohayon mit: Nathalie Baye, Lyna Khoudri, Pascale Arbillot, Sylvie Testud, Claude Perron, Soumaye Bocoum Länge: 100 min.



Läuft derzeit in den österreichischen Kinos


Trailer zu "Haute Couture - Die Schönheit der Geste"






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