Hans Steinbichler feiert in seiner Verfilmung des Romans der für ihre Eberhofer-Krimis bekannten Rita Falk die Freundschaft und das Leben. – Ein von einem glänzenden Ensemble getragener, leidenschaftlicher Film, in dem Coming-of-Age-Geschichte, Drama und Komödie immer wieder fließend ineinander übergehen.
Mit ihren Motorrädern rasen die 19-jährigen Hannes (Johannes Nussbaum) und Moritz (Leonard Scheicher) durch die Südtiroler Bergwelt. Die Kamera von Christian Marohl schwelgt in Totalen der in Herbstfarben getauchten Dolomiten. Das Cinemascope-Format verstärkt das Gefühl von Weite, Freiheit und jugendlicher Lebensfreude. Alles scheint noch vor den beiden Freunden liegen, doch ahnen kann man schon, dass ein Unfall unmittelbar bevorsteht.
Tatsächlich verunglückt Hannes schwer, nachdem sie die Motorräder getauscht haben und Hannes auf die schlecht gewartete Maschine von Moritz gestiegen ist. Nun liegt er mit einem schweren Schädel-Hirntrauma im Koma und die Eltern von Hannes und dessen Freundin Nele machen Moritz ebenso Vorwürfe wie die gemeinsamen Freunde. Schuldgefühle plagen ihn auch selbst. Alles möchte er tun, damit Hannes wieder ins Leben zurückkehrt, verbringt Nächte am Krankenbett in der Klinik und führt für Hannes dessen Leben als Zivildiener in einem Heim für psychisch Kranke fort.
Mit Moritz als Off-Erzähler bietet Hans Steinbicher ("Hierankl", "Das Tagebuch der Anne Frank") einerseits in kurzen Erinnerungen Einblick in die lebenslange Freundschaft des Duos, das am gleichen Tag geboren wurde und das eine Motorradreise ans Kap Hoorn plante. Andererseits entwickelt der gebürtige Schweizer die Handlung nach vorne, lässt den verträumten Moritz sich durch die neue Situation und die neue Aufgabe wandeln. Denn war er bislang im Gegensatz zum lebensfrohen Hannes, der genau wusste, was er wollte, und seine Pläne auch umsetzte, ein Träumer, dem die Orientierung fehlte, so findet er mit der Übernahme der Rolle von Hannes und der verzweifelten Hoffnung auf eine körperliche Regung des im Koma liegenden Freundes Halt.
Mit der kraftvollen Musik von Arne Schumann und Josef Bach steigert Steinbichler immer wieder die Emotionen, wechselt fließend zwischen Drama und komödiantischen Momenten, die das Aufkommen von Sentimentalität verhindern, und nennt als Vorbild dezidiert den französischen Erfolgsfilm "Ziemlich beste Freunde". Die Parallelen sind zwar unübersehbar, billige Kopie ist "Hannes" dennoch nicht.
Postkartencharakter entwickeln die Bilder der Südtiroler Berge zwar in ihrer Wiederholung, verstärken mit ihrer Schönheit und ihren leuchtenden Farben aber auch die Emotionalität und Vitalität des Films. Schräg wirken zwar manche Szenen und Figuren im Pflegeheim, doch auch in diesen kommt das Thema Schuld ins Spiel und sie tragen zur Entwicklung von Hannes bei. Großartig spielt die 2019 verstorbene Hannelore Elsner, der der Film gewidmet ist, eine ehemalige Lehrerin, die durch den Unfalltod ihrer Enkelin in eine schwere psychische Krise gestürzt ist.
Wie der Bewegung mit den Motorfahrten der Stillstand im Krankenzimmer gegenübersteht, so stellt Steinbichler auch immer wieder Moritz´ Erinnerungen an jugendliche Lebenslust und Lebensfreude die bitteren Seiten des Lebens mit dem Koma von Hannes und der Situation der Heimbewohner gegenüber. Doch trotz der ernsten Thematik ist dies nie ein niederschmetternder Film, sondern einer der mit Leidenschaft die Schönheit des Lebens und der Freundschaft feiert.
Zu verdanken ist dies auch einem sorgfältig ausgewählten und befreit aufspielenden Ensemble. In jeder Szene glaubwürdig sind nicht nur Leonard Scheicher als Moritz und Johannes Nussbaum als Hannes, sondern auch Roland Schreglmann und Klaus Steinbacher als ihre Freunde verbreiten jugendlichen Überschwang. Intensiv vermitteln aber auch Jeanette Hain und Nicki von Tempelhoff als Eltern von Hannes ihren Schmerz und die anfängliche Wut auf Moritz.
Doch auch hier setzt eine Bewegung ein und die Eltern werden lernen Moritz zu vergeben und auf ihn zuzugehen, während Moritz wiederum schließlich lernt nicht nur loszulassen, sondern auch seinen eigenen Weg in die Zukunft zu gehen.
Läuft derzeit in den Schweizer und deutschen Kinos.
Kinotheater Madlen, Heerbrugg: Mo, 10.1. 2022
Trailer zu "Hannes"
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