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  • AutorenbildWalter Gasperi

Großer Baum auf Reise - Die Zähmung der Bäume (Taming the Garden)


In großartigen Tableaus dokumentiert die Georgierin Salomé Jashi die Versetzung gewaltiger Bäume von Wäldern am Schwarzen Meer in den Park des Milliardärs und früheren Premierministers Bidsina Iwanischwili. – Im Konkreten wird so allgemein von menschlicher Hybris und Allmachtsfantasien und dem Raubbau an der Natur, aber auch vom Machtgefälle zwischen Reich und Arm erzählt.


Am Anfang steht eine idyllische, frei wuchernde Waldlandschaft, am Ende fokussiert die Kamera, die die Regisseurin Salomé Jashi und Gogo Devdariani führten, auf einem künstlich angelegten Garten mit gepflegtem Rasen, Sprinkleranlage und in Reih und Glied stehenden, zugeschnittenen riesigen Bäumen. Die Pole zeugen vom brutalen Zugriff des Menschen auf die Natur, von einer Zähmung – wie es im englischen und im alternativen deutschen Titel heißt.


Hinter dem verrückten Projekt der Versetzung der jahrhundertealten Bäume steht der schwerreiche Georgier Bidsina Iwanischwili, der 2012 eine Oppositionspartei gründete, ein Jahr lang Premierminister war und mit seinem Vermögen in seiner Heimat immer noch großen Einfluss hat. Gewaltige, bis zu fünfzehn Stockwerke hohe Bäume lässt Iwanischwili in den Wäldern der ursprünglichen Dörfer der georgischen Schwarzmeerküste kaufen, sie ausgraben und ans Meer transportieren, von wo sie per Floß zu seinem Park befördert werden.


Inzwischen ist das Projekt abgeschlossen. Über 200 Bäume hat Iwanischwili in seinem Park versammelt, einige sind aber bereits während der Ausgrabung, andere nach der Neuanpflanzung eingegangen. Rund 300.000 Euro betrugen schätzungsweise die Kosten für die Verpflanzung eines einzigen Baumes.


Auf jeden Kommentar verzichtet Salomé Jashi, beschränkt sich in bester Direct Cinema-Tradition darauf in eindrücklichen Tableaus die Versetzung dieser Baumriesen zu dokumentieren. In langen Totalen macht die Georgierin die Brutalität und das Ausmaß dieses Eingriffs in die Natur ebenso erfahrbar wie die Kraftanstrengung und der technische Aufwand, der dabei betrieben wird.


Mächtige Bagger und Trucks müssen aufgefahren werden, um den absurden Traum des Milliardärs zu verwirklichen. Eine große Grube muss um den Baum angelegt werden, um ihn zu versetzen, mit Brettern muss das Erdreich gesichert werden, Rohre müssen unter den Wurzeln verlegt werden, um den Baum mit Erdreich auf die Tieflader verladen zu können. Neue Straßen müssen für den Transport angelegt werden und Bäume am Straßenrand müssen zugeschnitten oder gefällt werden.


Unaufgeregt hält Jashi in langen Einstellungen, die dem Zuschauer immer auch Zeit lassen zum Reflektieren, detailreich und genau diese Aufwendungen fest. Wenn so ein Baumriese auf zwei gewaltigen Tiefladern durch die Straßen gezogen wird und sich langsam der Kamera nähert, wird die Kraftanstrengung fast physisch spürbar, während eine Einstellung von einem auf einem Floss langsam übers weite Meer gleitenden Baumes ein starkes Bild für die Absurdität des Unternehmens, aber auch das Machtstreben Iwanischwilis ist.


Wie "Großer Baum auf Reise" im geduldigen Blick eindrücklich von der konkreten Barbarei, von menschlicher Hybris und Allmachtsphantasie erzählt, so lässt gerade dieser genaue Blick auf diese spezielle Aktion immer auch den Umgang des Menschen mit der Natur im Allgemeinen mitdenken. Das metaphorische "Entwurzelung" bekommt hier einen konkreten Gehalt und eindrücklich vermittelt dieser ebenso poetische wie bildmächtige Film, was es heißt "sich die Erde untertan zu machen" und welche Folgen diese Aneignung der Natur hat.


Gleichzeitig wird in den Gesprächen der Arbeiter und Dorfbewohner, die Jashi einfängt, auch das Gefälle zwischen dem Milliardär und den einfachen Menschen sichtbar. Während Iwanischwili glaubt, dass er sich mit seinem Geld alles kaufen kann, ist ein Teil der Dorfbewohner froh über das Geld, das der Verkauf der Bäume bringt, andere widersetzen sich aber diesem Oligarchen, viele halten sich aber auch aus Angst vor dem mächtigen Mann zurück. So treibt die Aktion Iwanischwilis auch einen Keil in die Dorfbevölkerung und lässt andererseits auch eine zerstörte Landschaft mit einem riesigen Loch im Erdreich sowie zugeschnittenen und gefällten Bäumen als Kollateralschaden der Verpflanzung einzelner Baumriesen zurück.


Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen und im Skino Schaan.


Trailer zu "Großer Baum auf Reise"



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