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AutorenbildWalter Gasperi

Goliath


Der Kampf für bzw. gegen das Pestizid eines Chemiekonzerns führt einen Umweltanwalt, eine Aktivistin und einen aalglatten Lobbyisten zusammen: Nüchtern-realistischer Thriller, der auch Einblick in die Praktiken von Konzernen bietet, aber durch die Fülle an Erzählsträngen und angeschnittenen Themen auch an Durchschlagskraft und Spannung verliert.


An Steven Soderberghs "Erin Brockovich" und vor allem an Todd Haynes "Dark Waters – Vergiftete Wahrheit" erinnert Frédéric Telliers Umweltthriller, doch der Franzose spannt ein weiteres Netz. Denn während die beiden Amerikaner jeweils auf einer Aktivistin bzw. einem Umweltanwalt fokussieren, springt Tellier zwischen mehreren Erzählsträngen und Akteuren hin und her und schneidet eine Vielzahl an Themen an.


Da gibt es zunächst den Umweltanwalt Patrick Fameau (Gilles Lellouche), der nach dem Tod einer Landwirtin einen Prozess verliert, bei dem das Pestizid Tetrazin wegen krebserregender Wirkung verboten werden soll. Als sich die Frau der Verstorbenen aus Protest vor dem Konzerngebäude von Phytosanis verbrennt, kommt es nicht nur zu Demonstrationen, sondern der Anwalt will auch eine Zivilklage gegen den Konzern, der nach dem Bild von realen Chemieriesen wie Monsanto gezeichnet ist, einleiten.


Gleichzeitig beginnt sich, durch die Selbstverbrennung aufgerüttelt, auch die Lehrerin France (Emmanuelle Bercot), deren Mann ebenfalls an Krebs erkrankt ist, zu engagieren und tritt einer Gruppe von Aktivist*innen bei. Auf der anderen Seite steht wiederum der aalglatte Lobbyist Mathias (Pierre Niney). Mit demagogischer und manipulativer Rede versteht er es, nicht nur Elektroautos mit dem Hinweis auf gesundheitsgefährdende Kinderarbeit für die Gewinnung des nötigen Kobalts im Kongo gegenüber Dieselautos zu diskreditieren, sondern auch die Gefahr von Tetrazin herunterspielen.


Zweifellos die spannendste Figur des Films ist dieser Mathias. Über ihn wird nämlich schonungslos Einblick in die schmutzigen Praktiken des Konzerns geboten. Da wird nicht nur mittels Beziehungen eine Steuerprüfung des Anwalts in die Wege geleitet, sondern bald versucht man auch, ihn mit Geld zu bestechen und auch Drohungen bleiben nicht aus.


Bestochen werden aber auch sogenannte unabhängige Experten, die im Fernsehen über die Harmlosigkeit von Tetrazin sprechen, oder EU-Abgeordnete, die gegen ein Verbot des Pestizids stimmen sollen. Andererseits werden wiederum negative Nachrichten im Internet und Sozial Media-Beiträge durch so genanntes Trolling gezielt bekämpft und einem alten Wissenschaftler (Jean Perrin), der die Seiten gewechselt hat und als Whistleblower fungieren könnte, wird mit der Behauptung, dass er ein Geheimnisträger sei, quasi Redeverbot erteilt.


Mag auch der Kampf gegen bzw. für Tetrazin im Zentrum stehen, so schneidet Tellier am Rand doch auch vielfältige andere Themen an. Das geht von der Rohstoffgewinnung in Afrika durch Kinderarbeit über die schwierige Situation der Bauern in Frankreich und die daraus resultierende hohe Selbstmordrate unter Bauern bis zum Einfluss der Konzerne auf die Politik. Aber auch Bevölkerungswachstum und Nahrungsmittelknappheit sowie Klimawandel werden kurz angeschnitten.


So nüchtern und realistisch, vorwiegend in kaltes Blau und Grau getaucht Tellier aber auch erzählt, so übernimmt er sich in der Fülle der Erzählstränge und angeschnittenen Themen doch auch. Denn einerseits kann dadurch nichts wirklich ausgelotet werden, andererseits fehlt "Goliath" im Wechsel zwischen den einzelnen Akteuren das dramaturgische Zentrum und der Film zerfasert sich. – Sehenswert ist dieser Thriller trotz dieser Schwächen nicht zuletzt aufgrund des beunruhigenden Einblicks in die Praktiken von Konzernen dennoch.



Goliath Frankreich / Belgien 2022 Regie: Frédéric Tellier mit: Gilles Lellouche, Pierre Niney, Emmanuelle Bercot, Laurent Stocker, Yannick Renier, Marie Gillain, Jacques Perrin Länge: 122 min.


Läuft derzeit in den deutschen und Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen


Trailer zu "Goliath"




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