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  • AutorenbildWalter Gasperi

Godzilla Minus One

Unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs bedroht das berüchtigte echsenartige Ungeheuer Japan: Takashi Yamazaki gelingt im insgesamt 42. Godzilla-Film durch die Verbindung großartiger Monster-Szenen mit einem menschlichen Drama bildmächtiges und packendes Blockbuster-Kino. Nicht zu übersehen ist aber auch der militaristische Grundton.


In der urzeitlichen Echse Godzilla werden japanische Traumata und Ängste vom Schrecken des Zweiten Weltkriegs über den Atombombenabwurf auf Hiroshima und Nagasaki bis zu Naturkatastrophen wie Erdbeben ins Popkulturelle verschoben und durch das Fantastische gleichzeitig konsumierbar gemacht.


Neun Jahre vor dem prototypischen "Godzilla" (1954) von Ishiro Hondo setzt nun Takashi Yamazakis "Godzilla Minus One" ein. Dessen Titel soll schon darauf verweisen, dass das sich am Ende des Zweiten Weltkriegs auf dem Nullpunkt befindende Japan durch das Auftauchen des Monsters noch eine Stufe tiefer fällt.


Im Zentrum steht der junge Kamikazeflieger Koichi (Ryunosuke Kamiki), der kurz vor Kriegsende unter Vortäuschung eines Defekts auf einer Pazifikinsel landet. Der hier stationierte japanische Mechanikertrupp prüft die Maschine und überführt Koichi der Desertion. Ehe Koichi aber dafür belangt werden kann, greift aus dem Meer die Riesenechse an. Obwohl Koichi beim Kampf gegen das Ungeheuer wieder die Nerven im Stich lassen, kommen dennoch er und der Chefmechaniker als einzige mit dem Leben davon.


Eine kraftvolle Auftaktszene ist dies, nach der sich Yamazaki über eine halbe Stunde Zeit lässt, ehe das Monster rund zwei Jahre später wiederum zuschlägt. Genau gesetzt sind die insgesamt vier spektakulären Monsterszenen. Auf einen Seekampf beim zweiten Aufeinandertreffen wird eine spektakuläre Zerstörungsorgie in Tokio folgen, bei der unübersehbar der Ur-"Godzilla" zitiert wird, wenn das Ungeheuer einen Eisenbahnwaggon ins Maul steckt. Und ganz den Regeln des Genres folgend kommt es am Ende zur großen Abwehrschlacht, bei der die Japaner alles mobilisieren und auch mit Zusammenhalt die Gefahr bannen.


Wie hier Zerstörer auffahren, wie die Zivilbevölkerung angesichts der Entmilitarisierung sich zusammenschließt, um selbst das Ungeheuer zu bekämpfen und wie immer wieder militärisch gegrüßt wird, hat unübersehbar militaristische Züge. Zwar wird fehlende Ausrüstung und Versorgung im Zweiten Weltkrieg ebenso kritisiert, wie die Tatsache, dass die japanische Regierung junge Männer rücksichtslos in den Tod schickte, doch in dieser neuen Krise der unmittelbaren Nachkriegszeit scheinen doch schon wieder Zusammenhalt und Kampf- und Opferbereitschaft gefragt und werden von Yamazaki auch gefeiert.


So erzählt "Godzilla Minus One" auch die Entwicklungsgeschichte Koichis, der seit der Desertion von Schuldgefühlen und Alpträumen geplagt wird und im Kampf gegen Godzilla den in ihm tobenden inneren Krieg beenden will. Dem befohlenen Kamikaze-Angriff, dem er im Zweiten Weltkrieg durch Vortäuschung eines Defekts entging, steht im Finale der selbst gewählte lebensgefährliche Angriff auf die Echse mit einem im Krieg nie eingesetzten neuen Kampfflugzeug gegenüber.


Große Bildkraft entwickelt dieser Monsterfilm in den Actionszenen durch geschicktes Spiel mit Größenverhältnissen und Perspektiven, aber auch durch das eindrückliche Monster. Nie sieht man dem Film an, dass sein Budget – laut Regisseur – unter 15 Millionen Dollar lag. Locker kann "Godzilla Minus One" auch bei den Special-Effects mit wesentlich teureren US-Produktionen mithalten.


Größte Qualität ist aber, dass Yamazaki die Monsterszenen insgesamt eher kurz hält und nicht breit auswalzt, sondern dazwischen vor allem ein menschliches Drama entwickelt. Wenn Koichi bei Kriegsende ins zerbombte Tokio zurückhält, werden Not, Armut und Trauer dieser Zeit unmittelbar erfahrbar. Eine einzige Trümmerlandschaft ist das, in der aber mit der Zeit mit notdürftigen Baracken wieder das Leben beginnt.


Yamazaki strukturiert die Handlung dabei mittels Zeitinserts und lässt Koichi bald die junge Norioki (Minami Hamabi) treffen, die das Baby einer bei einem Bombenangriff getöteten Frau angenommen hat. Eine Patchwork-Familie bildet sich so, doch das mögliche Glück wird bald schon durch das Auftauchen Godzillas bedroht.


Erst durch diese Verbindung der Monstergeschichte, deren Spannung durch die wuchtige Filmmusik von Naoki Sato gesteigert wird, mit dem persönlichen Drama der Protagonist:innen sowie markanter Nebenfiguren entwickelt "Godzilla Minus One" seine Kraft und Spannung. – Das Genre sprengt der Film damit zwar nicht, bietet aber packendes Blockbuster-Kino alter Schule, das sowohl mit Identifikationsfiguren fesselt und das Gefühl anspricht als auch mit den spektakulären Monsterszenen Augenfutter bietet.  


Godzilla Minus One Japan 2023 Regie: Takashi Yamazaki mit: Ryunosuke Kamiki, Minami Hamabe, Yuki Yamada, Munetaka Aoki, Hidetaka Yoshioka, Sakura Ando, Kuranosuke Sasaki Länge: 125 min.


Läuft derzeit in den Kinos, z.B. im Cineplexx Hohenems.


Trailer zu "Godzilla Minus One"


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