Zwischen 1967 und 1970 hielt der Fotograf und Fotojournalist Gilles Caron die großen weltpolitischen Ereignisse vom Sechstagekrieg bis zum Mai ´68 mit der Kamera fest, verschwand aber 1970 im Alter von 30 Jahren spurlos in Kambodscha. Mariana Otero spürt anhand von Carons rund 100.000 Fotos dem Menschen hinter der Kamera nach, ruft aber vor allem teils erschütternd historische Ereignisse in Erinnerung.
Am Beginn steht ein Buch, das Mariana Otero erhält: Es ist eine Biographie über den Fotojournalisten Gilles Caron (1939 - 1970). Vor allem die letzten Bilder, die an sein Verschwinden in Kambodscha erinnern, und denen Fotos von seiner Frau und seinen beiden kleinen Töchtern gegenüberstehen bewegen die 57-jährige Französin, erinnern diese sie doch an ihre eigene Mutter, die in den späten 1960er Jahren ebenfalls im Alter von nur 30 Jahren starb und zwei Töchter zurückließ.
Über den Kontakt mit Carons Tochter Marjolaine kommt Otero an eine Festplatte mit 100.000 Fotos des gefeierten Fotografen, der ein wichtiger Zeuge des Weltgeschehens war. Anhand der Fotos möchte Otero dem Menschen hinter der Kamera nachspüren. Auf Interviews verzichtet sie weitgehend, vertraut ganz auf die ausdrucksstarken, großteils schwarzweißen Fotos Carons, die durch einige Fotos, die Kollegen von ihm machten, ergänzt werden.
Mit Ausnahme des Besuchs eines Schauplatzes in Nordirland sieht man Otero so fast durchgängig beim Sichten und Ordnen der Fotos in ihrem Atelier. Ihr persönliches und empathisches Voice-over ist neben dem Werk Carons das Rückgrat des Films. Ins Zentrum stellt sie die Frage nach dem Blick Carons auf die Ereignisse und seine Suche nach dem optimalen Standpunkt, von dem aus schließlich ein Bild entstehen kann, das um die Welt geht und ikonisch wird.
Vor allem aber vermittelt der Dokumentarfilm ein Gefühl für die späten 1960er Jahre und ruft die dramatischen weltpolitischen Ereignisse in Erinnerung, während seine Fotos von Berühmtheiten bei Premieren im Pariser Club Olympia oder von Francois Truffaut nur kurz gestreift werden. Lange widmet sich Otero dagegen dem berühmten Foto von Daniel Cohn Bendit und einem Polizisten im Mai ´68, vermittelt aber auch sein Erstaunen angesichts gerührter israelischer Soldaten an der Klagemauer im Sechstagekrieg.
Weil der Fokus von Caron immer auf den Menschen lag, bewegen diese Fotos von erschöpften und angsterfüllten Soldaten im Vietnamkrieg (Schlacht bei Dak To) oder der Katastrophe im Biafra-Krieg, bei dem ein bis zwei Millionen Menschen verhungerten. Aber auch die Unruhen und gewalttätigen Auseinandersetzungen im nordirischen Derry im August 1969 dokumentierte er, fast mit dem Leben bezahlten er und mehrere Kollegen eine Reise zu Rebellen im Tschad.
Stark sind diese Fotos und bleiben haften, Caron aber, über dessen Leben man nur erfährt, dass er im Algerienkrieg als junger Soldat diente, kommt Otero nicht wirklich näher. So mitfühlend ihr Blick ist, die Person bleibt einem – im Gegensatz beispielsweise zum brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado in Wim Wenders´ Dokumentarfilm "Das Salz der Erde" – ziemlich fremd.
So eindrücklich auch Carons Fotos sind, so reflektiert Otero letztlich doch zu wenig bohrend über die Bildproduktion und auch die Querverbindungen, die sie zwischen ihrem eigenen frühen Verlust der Mutter und Carons Kindern herstellt, werden wenig entwickelt. Als Hommage an diesen furchtlosen Fotografen und als Dokument, das mittels der Fotos Carons einer breitere Öffentlichkeit an die dramatischen Ereignisse der späten 1960er Jahre erinnern kann, funktioniert "Gilles Caron – Histoire d´un regard" aber durchaus.
Läuft derzeit in einigen Schweizer Kinos
Trailer zu "Gilles Caron: Histoire d´un regard - Looking for Gilles Caron"
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