Ghostlight
- Walter Gasperi

- 18. Juli
- 3 Min. Lesezeit

Ein Bauarbeiter, der in einer schweren Krise steckt, gerät an eine Amateurtheatergruppe, die Shakespeares "Romeo und Julia" probt: Kelly O´Sullivan und Alex Thompson feiern in ihrem beglückenden Spielfilm bewegend die befreiende und heilende Kraft des Theaters.
Mit dem Song "Oh What a Beautiful Morning" bricht für die Familie Mueller ein neuer Tag an, doch schon der Blick in den Garten lässt eine schwere Belastung ahnen. Unübersehbar ist auch die Anspannung von Ehemann Dan (Keith Kupferer), der als Straßenbauarbeiter arbeitet. Mehrfach droht er bei der Arbeit förmlich zu explodieren und wird auch tätlich gegenüber einem Autofahrer, der sich beschwert.
Dazu kommt auch noch, dass die 17-jährige Tochter Daisy (Katherine Mallen Kupferer) immer wieder Ärger in der Schule hat und ein Schulverweis droht. So muss der Vater sie zu einer Therapeutin begleiten, aber auch ein wichtiger Anwaltstermin steht für die Familie bevor. Spannung bauen Kelly O´Sullivan und Alex Thompson auf, indem sie erst langsam und sukzessive Einblick in die Hintergründe der familiären Situation bieten.
Die Schauspielerin Rita (Dolly De Leon), die mit einer Amateurtheatertruppe unmittelbar neben der Baustelle Dans Shakespeares "Romeo und Julia" probt und von den Straßenarbeiten gestört wird, merkt jedenfalls, wie sehr Dan unter Druck steht. Sie lädt ihn zu den Proben ein und schon bei den ersten Atemübungen wird spürbar, wie der schwer angeschlagene Mann zur Ruhe kommt.
Lehnt er zunächst eine weitere Beteiligung an der Theaterproduktion ab, so ändert er dann doch seine Meinung, übernimmt bald eine Rolle, gibt in den Proben viel von seinem Inneren preis und auch zwischen Shakespeares Liebestragödie und Dans Leben werden zunehmend Parallelen sichtbar.
Ein Clou des Regiedous Kelly O´Sullivan und Alex Thompson, die auch im wirklichen Leben ein Paar sind, ist zweifellos, dass sie die Familie Mueller mit einer realen Familie von Schauspieler:innen besetzt haben. Wunderbar harmonieren Keith Kupferer als melancholischer, gleichermaßen von Schuldgefühlen geplagter wie wütender Dan und seine Ehefrau Tara Mallen als in sich gezogene Sharon. Dazu kommt ihre gemeinsame Tochter Katherine Mallen Kupferer als rebellische Daisy, die ihre Wut gegenüber sich selbst an anderen auslässt.
Nicht unwesentlich trägt aber auch Dolly De Leon als feinfühlige Schauspielerin Rita, die von New York in die nicht näher bezeichnete Stadt in Illinois zurückgekehrt ist, dazu bei, dass hier großartiges Schauspieler:innenkino geboten wird. So zärtlich und warmherzig ist der Blick von O´Sullivan und Thompson auf die schwer angeschlagene Familie, dass man sie sofort ins Herz schließen und auf eine Lösung ihrer Probleme hoffen muss.
Reichlich konstruiert ist zwar sowohl, wie Dan in die Amateurtheatergruppe gerät, als auch die zunehmend dichtere Verschränkung des Lebens der Familie mit Shakespeares "Romeo und Julia", dennoch funktioniert dieses Konzept, weil "Ghostlight" nie verlogen, sondern in der realistischen Schilderung der Familie immer echt und natürlich wirkt.
Gerade der Kontrast von Alltag und Theaterbühne macht diesen Film, dessen Titel sich auf die minimale Bühnenbeleuchtung bezieht, die in Theatern stets eingeschaltet bleibt, um Stürze über Kulissenteile und ähnliche Unfälle zu vermeiden, so spannend. Eindrücklich können O´Sullivan / Thompson in Probenszenen immer wieder zeigen, wie befreiend Lockerungsübungen wirken können, und vor allem, wie das Rollenspiel es Dan ermöglicht, sich im Alltag unterdrückten Gefühlen zu stellen oder auch Perspektivenwechsel vorzunehmen und so ein belastendes Trauma zu verarbeiten.
Gleichzeitig gelingt es O´Sullivan / Thompson diesem bittersüßen Kleinod durch einen feinen Humor ebenso wie durch mehrere prägnant eingesetzte Songs wie Queens "Under Pressure", Ben E. Kings "Stand by Me" oder "I Can´t Say No" und "Oh What a Beautiful Morning" aus dem Hammerstein/Rodgers-Musical "Oklahoma!" trotz der im Grunde ernsten Thematik eine Leichtigkeit und einen Optimismus zu verleihen, die beglücken.
Nie werden diese Songs dabei selbstzweckhaft eingesetzt, sondern beziehen sich immer auch auf die Handlung und vertiefen sie ebenso wie eine Szene, in der Tochter Daisy ihren Vater mit Shakespeares "Romeo und Julia" vertraut macht. Aus dem Stegreif trägt sie nicht nur den Prolog vor, den sie in der Schule gelernt hat, sondern zeigt ihm auch eine Verfilmung des Stücks.
Alt sei diese, aber immer noch gut und man erwartet schon Zeffirellis Klassiker von 1968, doch stattdessen bekommt man Baz Luhrmanns "William Shakespeares Romeo + Juliet" von 1996 zu sehen, in dem der junge Leonardo DiCaprio Romeo spielt: Was alt und was jung ist, hängt eben auch von der eigenen Perspektive ab und so macht diese Szene auch zartbitter das Vergehen der Zeit und das eigene Altern bewusst.
Ghostlight
USA 2024
Regie: Kelly O’Sullivan, Alex Thompson
mit: Keith Kupferer, Dolly De Leon, Katherine Mallen Kupferer, Tara Mallen, Hanna Dworkin
Länge: 115 min.
Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen.
Trailer zu "Ghostlight"




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