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  • AutorenbildWalter Gasperi

Gehört, gesehen - Ein Radiofilm

Aktualisiert: 25. Mai 2019


Jakob Brossmann und David Paede bieten in ihrem Dokumentarfilm, der bei der heurigen Diagonale mit dem Publikumspreis ausgezeichnet wurde, kommentarlos Einblicke in das vielfältige Programm des Kultursenders Ö1, aber auch in die Gefährdung von Qualitätsmedien in einer veränderten Medienlandschaft.


Ein Insert informiert, dass Ö1 1964 gegründet wurde - gesendet wurde aber erst ab 1967 - und europaweit der erfolgreichste werbefreie Kultur- und Informationssender ist. Auf weitere Informationen aus dem Off werden Jakob Brossmann und David Paede verzichten und ganz auf vielfältige Momentaufnahmen vertrauen.


Im Stil des Direct Cinema eines Frederic Wiseman ist ihre Kamera – wie ein Mäuschen - überall dabei. Man sieht zu, wie das Radiopublikum bei der Morgensendung begrüßt wird, wie eine Nachrichtensprecherin ihren Text probt, wie an einer Sendung gefeilt wird, ist Zeuge bei Redaktionssitzungen mit Programmchef Peter Klein oder der Arbeit des Reinigungsdienstes.


Wenn hier die einzelnen Sendungen durchbesprochen werden, wird nicht nur deutlich wie vielfältig und umfangreich das Programm ist, sondern auch die Leidenschaft der Redakteure wird spürbar. Sie machen nicht nur einen Job, sondern sind mit Herzblut bei der Sache, ihre Reportagen und der Sender sind ihnen ein echtes Anliegen.


Diese Leidenschaft, aber auch die Schönheit von Radiosendungen wird auch erfahrbar, wenn man der Produktion eines Hörspiels mit Karl Markovics beiwohnt, einem eigenwilligen „Nachtquartier“ über Geister, aber auch gesellschaftspolitisch aktuellen Reportagen und immer wieder natürlich Musiksendungen bis hin zur Live-Übertragung der Premiere der Opfer "Samson und Delilah" aus der Wiener Staatsoper.


So feiern Brossmann/Paede diesen Sender, dessen Programm täglich einer 300-seitigen Zeitung entspricht, arbeiten seine Bedeutung heraus, zeigen aber auch deutlich dessen Bedrohung in Zeiten eines Wandels der Mediengesellschaft. Um jeden Hörer muss gekämpft werden, immerhin von 13% auf 15% konnten die Hörerzahlen während der zweijährigen Produktion des Films gesteigert werden, dennoch gilt wohl, wie Programchef Klein einmal feststellt, dass Ö1 das Geld verbraucht, das Ö3 verdient.


Dem hochwertigen Programm auf der einen Seite stehen so der Druck nach Rentabilität und das Damoklesschwert der Abschaffung der Rundfunkgebühren auf der anderen gegenüber. Vor allem vor dem Hintergrund der 50 Jahr-Feier am 1. Oktober 2017, bei der Festredner Robert Menasse ein flammendes Plädoyer für den Erhalt des Senders hält, dokumentiert das Regie-Duo die Bemühungen um sanfte Erneuerung und Entstaubung des Programms bis hin zur Komposition einer neuen Signation durch Christian Muthspiel und deren Präsentation bei der 50-Jahr-Feier durch das ORF Radiosymphonie-Orchester.


Gleichzeitig rufen aber auch immer wieder Totalen des ORF Funkhauses in Wien ins Bewusstsein, dass auch dieses Gebäude, das die Heimat des Senders ist, bedroht ist, dass hier in den nächsten Jahren Appartements entstehen sollen und der Rundfunk an den Stadtrand übersiedeln soll.


Wenn dann gegen Ende ein Redakteur einer Wissenschaftssendung übers Moos recherchiert und ein Experte über dessen mögliches Aussterben berichtet und sich fragt, ob das feuchte Grün die Untaten der Menschen überstehen könne, ist das auch als Hinweis auf die Situation des Senders zu verstehen. – „Gehört, gesehen – Ein Radiofilm“ setzt jedenfalls ein entschiedenes Zeichen gegen diese Gefahr, ist eine Liebeserklärung an diesen Sender und seine Mitarbeiter, aber auch eine Hommage an das Radio an sich.


Wird vom TaSKino Feldkirch am Di 4.6., 20.30 Uhr, Mi 5.6., 18 Uhr und Do 6.6., 20.30 Uhr im Feldkircher Kino Rio gezeigt.


Trailer zu "Gehört, gesehen - Ein Radiofilm"



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