Matthew Brown bietet Anthony Hopkins und Matthew Goode eine große Bühne, um als atheistischer Sigmund Freud und christlicher "Narnia"-Autor C. S. Lewis über Gott und die Welt zu diskutieren: Gedankenreich, doch die Inszenierung bleibt theaterhaft statisch und uninspiriert.
Schon 2002 ließ der in Harvard unterrichtende Professor für Psychiatrie Armand Nicholi in seinem Sachbuch "The Question of God" den Erfinder der Psychoanalyse Sigmund Freud und den späteren Autor von "Die Chroniken von Narnia" C. S. Lewis aufeinandertreffen, um über die großen Themen des Lebens zu diskutieren. Ob diese Begegnung tatsächlich stattfand, ist nicht gesichert. Belegt ist nur ein Treffen Freuds im Jahr 1939 mit einem Professor aus Oxford, doch unbekannt ist, um wen es sich dabei handelte und über was sie sprachen. Nicholis Buch jedenfalls diente dem amerikanischen Autor Mark St. Germain als Grundlage für sein 2009 uraufgeführtes Theaterstück "Freud´s Last Session", das Matthew Brown nun verfilmte.
Die Handlung spielt kurz nach Beginn des Zweiten Weltkriegs, am 3. September 1939, in Sigmund Freuds Haus in seinem Londoner Exil. Hierhin hat der vor den Nazis aus Wien geflohene Freud (Anthony Hopkins) den christlichen Schriftsteller C. S. Lewis (Matthew Goode) zu einem Gespräch eingeladen. Gegensätze prallen dabei aufeinander und den Glauben von Lewis an Gott und Nächstenliebe stellt atheistische Wiener Jude immer wieder mit sarkastischen Kommentaren zu den dunklen Seiten des Lebens und der Welt in Frage. Konkret konfrontiert er sein Gegenüber dabei auch mit der Terror-Herrschaft Hitlers ebenso wie mit dem Verlust seiner Tochter durch die Spanische Grippe 1918 und seinem fünfjährigen Enkel durch Tuberkulose.
Die Herkunft von der Bühne ist dem Film deutlich anzusehen. Die Inszenierung ist sehr statisch und verschenkt werden die Möglichkeiten des Cinemascope-Formats, in dem "Freud – Jenseits des Glaubens" trotz der kammerspielhaften Anlage gedreht wurde. Vollgestopft ist Freuds Wohnung zwar mit Büchern, Büsten und Statuetten vom mythologischen Paar Eros und Psyche über Buddha bis zur Heiligen Dymphna, die als Patronin der Verrückten und Verlorenen den Psychoanalytiker besonders zu faszinieren scheint, dennoch kommt keine echte Atmosphäre auf.
Ganz auf seine beiden Hauptdarsteller verlässt sich Brown. Während Matthew Goode Lewis zurückhaltend und immer wieder nachdenklich spielt, dreht der zweifache Oscar-Preisträger Anthony Hopkins als sein Kontrahent voll auf. Mit sichtlichem Vergnügen ahmt er Freuds Blicke, Gestik und Mimik bis zum Overacting nach.
Den Eindruck des Theaterhaften können auch zahlreiche Rückblenden in Kindheit und Jugend der beiden Protagonisten, mit denen ihre Positionen auch erklärt werden sollen, nicht verwischen. Da erinnert sich Freud bei einem Blick durch die verregnete Fensterscheibe an die religiöse Zerrissenheit in seiner Kindheit, in der dem jüdischen Vater ein katholisches Kindermädchen gegenüberstand, das den Jungen in die Kirche mitnahm. Aber auch Gedanken an die Verehrung, die er in Wien genoss, und an eine beklemmende Erfahrung mit der Gestapo kommen wieder hoch.
Bei Lewis wiederum gibt es traumatische Erinnerungen an den Schrecken in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs sowie an die Beziehung zur Mutter eines gefallenen Kriegskameraden, die Freud sofort wieder psychoanalytisch interpretiert. Gleichzeitig wird aber auch Einblick in Freuds komplexe Beziehung zu seiner Tochter Anna (Liv Lisa Fries) geboten. Herrisch bestimmt er über die junge Frau, doch obwohl er deren lesbische Beziehung ablehnt, ordnet sie sich ihrem unheilbar an Mundhöhlenkrebs erkrankten Vater völlig unter, kümmert sich bedingungslos um ihn und vernachlässigt ihre Bedürfnisse.
Durchaus spannend ist die Figur der von Liv Lisa Fries gespielten Anna, die der Film zu einer Psychologievorlesung an der Universität begleitet, die diese dann aber in ständiger Sorge um ihren Vater abbricht. Andererseits stört diese Nebenhandlung, mit der wohl sowohl den beiden Männern eine prägnante Frau gegenübergestellt als auch – ebenso wie mit den Rückblenden - der theaterhafte Rahmen aufgebrochen werden soll, die Haupthandlung. Spannung kann sich so aufgrund der häufigen Abschweifungen kaum entwickeln.
So kann das Streitgespräch, in dem es schließlich auch um Suizid und Sterbehilfe geht, mit seinen aufeinanderprallenden Positionen zu existentiellen Fragen zwar durchaus zum Nachdenken anregen, als Film überzeugt "Freud – Jenseits des Glaubens" aber nicht. Zu sehr bleibt dieses Drama nämlich auch theoretisches Gedankengerüst und die Protagonist:innen gewinnen letztlich zu wenig menschliches Profil, um wirklich mitzureißen und zu bewegen.
Aber auch die Sprachführung tut dem Film nicht gut, wenn in der deutschsprachigen Fassung durchgängig Deutsch und in der Originalfassung vermutlich analog dazu durchgängig Englisch gesprochen wird: Es passt einfach nicht, wenn Freud sowohl im Londoner Exil in den Diskussionen mit Lewis als auch bei den Erinnerungen an seine Kindheit und seine Erfahrungen in Wien Deutsch bzw. in der Originalfassung wohl Englisch spricht. – Irgendwo müsste hier doch die sprachliche Differenz sichtbar werden, die sowohl eine dichtere Atmosphäre erzeugen als auch stärker Freuds Gefühl der Fremdheit im Exil vermitteln würde.
Freud – Jenseits des Glaubens Großbritannien / Irland / USA 2023 Regie: Matthew Brown mit: Anthony Hopkins, Matthew Goode, Stephen Campbell Moore, Liv Lisa Fries Länge: 110 min.
Läuft derzeit in den deutschen und österreichischen Kinos, z.B. im Cinema Dornbirn.
Trailer zu "Freud - Jenseits des Glaubens"
Comments